
16.02.2021 || 1. Hallo Uli! Zum Anfang möchten wir natürlich erst einmal etwas über dich erfahren. Woher kommst du und wie bist du zur Musik gekommen?
Ulrich Zehfuß: Geboren wurde ich in Ludwigshafen am Rhein, der Perle der Pfalz, aufgewachsen bin ich zwischen Gemüseäckern, Obstbäumen und Reben in einem Dorf in der Nähe. Zur Musik kam ich durch meine Eltern, die viel verschiedene Musik gehört haben, von Klassik über Musical bis zu Disco, Gospel und Liedermachern. Meine Schwester lernte Klavier, also entschied ich mich für Gitarre. Mein erster Lehrer brachte mir hunderte von Songs aus den 60ern, 70ern und 80ern bei, zusammen war das meine musikalische Prägung. Und mit 14 begann ich, eigene Lieder zu schreiben.
2. Schreibst du alle Texte deiner Lieder selber? Wovon lässt du dich hierbei inspirieren?
UZ: Ja, ich schreibe die Texte selber, es ist so, dass ich sogar erst die Texte schreibe und dann die Texte vertone. Inspirieren lasse ich mich von allem. Der Moment der Inspiration ist ja wie ein Blitz, ein kleiner Stromschlag. Die Kunst besteht darin, die Antennen zu entwickeln, in die die Energie einschlagen kann, die in der Regel darin besteht: In etwas Alltäglichem, Kleinem sehe ich plötzlich eine größere Wahrheit über das Leben. So fängt es an.
3. Was genau steckt hinter dem Album und was hat der Albumtitel: „Erntezeit“ zu bedeuten?
UZ: Der Titelsong Erntezeit handelt davon, dass wir immer ernten, was wir säen, im Guten wie im Schlechten. Egal, ob es um Liebe, Hass, Frieden, Krieg oder Klimakatastrophe geht. Es gibt eine unzerreißbare Verbindung von Wirkung und Ursache - und daraus resultiert unsere Verantwortung. Darum geht es.
4. Was und vor allem, wen möchtest du mit deiner Musik erreichen?
UZ: Vielleicht sollte man eher fragen, wen kann man erreichen. Ich vermute mal, ich erreiche eher Menschen, die - wie ich - nach Antworten suchen in dem ganzen Chaos. Nach Hinweisen auf die große Frage: Was zur Hölle machen wir hier?
5. Beschreibe dein neues Album in 3 Worten.
UZ: Schutzlos. Nah. Persönlich.
6. Lieder, Gedichte, Drehbücher…Was schreibst du lieber? Und wieso?
UZ: Wenn ich auf die Zahlen schaue, ist die Antwort eindeutig: Lieder schreibe ich am meisten. Seit ich denken kann, beschäftige ich mich damit. Gedichte schreibe ich meist aus dem Augenblick heraus und ziehe es in kurzer Zeit durch. An Liedern arbeite ich oft lang. An größeren Formen wie Erzählungen oder Drehbüchern ewig. Kommt entsprechend selten vor. Was ich an Liedern mag, ist, dass sie es ermöglichen, diese magischen Momente mit dem Publikum zu teilen: Beim Singen der Lieder synchronisieren sich Köpfe und Herzen und man teilt für kostbare Momente einen gemeinsamen Raum. Dabei spürt man: Ich bin nicht allein. Das tröstet.
7. Du hast vor einer Weile eine sehr lange musikalische Pause eingelegt. Verrätst du uns den Auslöser und was erwog dich, doch wieder mit der Musik anzufangen?
UZ: Mit 17 Jahren gründete ich eine Band, mit der ich 17 Jahre unterwegs war - und irgendwann an einen Punkt gelangte, an dem ich nicht wusste, wie es weitergeht. Ich habe mich bewusst von der Bühne zurückgezogen, weil ich einen neuen Anfang finden wollte. Und ich kam zurück, als dies der Fall war: Ich habe mich vom Band-Songwriter zu einem Solokünstler entwickelt, ich habe mein Songwriting weiterentwickelt, ich hatte wieder etwas zu sagen: Hier bin ich.
8. Wer sind deine Vorbilder?
UZ: Es gibt so viele tolle Songwriter*innen - alle haben etwas Besonderes, von dem man lernen kann. Ich liebe die frühen Solonummern von Sting, auch Dylan inspirierte mich mit seiner rhapsodischen Art zu dichten, natürlich berührte mich Reinhard Mey, weniger musikalisch, aber in seiner aufrichtigen Art, sich den großen Fragen zu stellen, ohne sich hinter dem Schutzpanzer der Ironie zu verstecken. Die Leidenschaft des Gospel der Lee Patterson Singers, die Seele in Harry Belafontes Stimme, all das berührte mich und formte meine Idealvorstellungen. Aber vor allem prägte mich Christof Stählin, der 2015 verstorbene Liederdichter, der mich zu seiner Dichterfamilie SAGO holte. Er war mein Mentor, ihm verdanke ich sehr viel, wie viele andere Liedermacher, die heute in SAGO Song Salons auftreten.
9. Welches Lied aus deinem neuen Album gefällt Dir persönlich am besten und warum?
UZ: Welches ihrer Kinder lieben sie am meisten? Die Antwort ist schwer. Eines meiner liebsten ist "Es ist um mich geschehen" - es schwebt und tanzt und ist auf schöne Art bei sich, mit sich im Reinen. In der Musik löst sich die Aussage des Textes auf: Ich bin eingewoben in die Welt, und nicht ich mache etwas, sondern es geschieht mit mir.
10. Wie gehst du mit Kritik um?
UZ: Kritik muss geübt werden, auch der Umgang damit. In unserer Liedermacherfamilie SAGO treffen wir uns, spielen uns Lieder vor und üben uns aus Respekt und Liebe in harter Kritik. Ich bin es also gewohnt und sehe es als wichtigste Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln.
11. Wie schlägst du dich in Zeiten von Corona?
UZ: Da 2019 und 2020 mein Album aufgenommen habe, hatte ich sehr viel mit Dingen jenseits der Bühne zu tun. Zwar waren die weggefallenen Auftritte schmerzhaft, aber ich bin zum Glück nicht ausschließlich davon abhängig. Ich arbeite auch als Dozent für Songwriting, zum Beispiel für die Popakademie in Mannheim.
12. Wo siehst du dich in 10 Jahren?
UZ: Das ist lange hin, denkt man. Ich vermute, ich arbeite am übernächsten oder überübernächsten Album und unterrichte etwas mehr Songwriting. Und vor allem sehe ich mich noch über der Erde.
Foto: Thommy Mardo