
14.01.2015 || Die gefragte Backgroundsängerin Celina Bostic hat alle Verträge gekündigt und sich zur Gitarre neu erfunden. Mit dem Album "Zu Fuss" huldigt sie der Poesie des Augenblicks.
Stagecat: In den kommenden Wochen gehst du mit Andreas Bourani auf Tour. Mit welchen Gefühlen siehst du der Tour entgegen?
Celina Bostic: Ich freue mich total, mit Andreas auf Tour zu gehen. Es ist mein größter Support bisher. Ich war schon mit einigen tollen Leuten unterwegs, habe aber selbst noch nicht vor so vielen Leuten gespielt, wie ich das nun auf der Bourani-Tour tun werde. Die Tour ist schon gut ausverkauft, stellenweise spielen wir vor viertausend Leuten, auf einmal! (lacht)
Bei Publikum bis eintausend Leute bin ich cool, ich weiß: Das kriege ich hin, die hören mir auch zu. Bei viertausend Leuten bin ich tatsächlich sehr gespannt, wie es wird. Ich freue mich sehr darauf, zumal ich glaube, dass die Kombination gut passen könnte. Ich mag die Band, kenne Andreas gut und bin mit seinem Mitstreiter an der Gitarre, dem Julius [Julius Hartog, SC] gut befreundet.
SC: Ein spannendes Jahr liegt hinter dir.
CB: Ja! (lacht)
SC: Im September warst du unterwegs auf kleiner Club-Tour, anschließend hast du bis in den Dezember als Teil des Farin Urlaub-Racing-Teams getourt und als Support für Judith Holofernes, Moop Mama und Flo Mega. Im Oktober ist dein zweites Solo-Album „Zu Fuss“ erschienen. Was war 2014 für ein Jahr für dich?
CB: Aufregend, anstrengend, sehr schön.
SC: Die Acts, mit denen du unterwegs warst, stellen ein bunte Mischung dar. Du hast auch schon mit Wir sind Helden und Westbam, Bushido und Sido gearbeitet. Wie kommt diese Genrevielfalt zustande? Hat das auch etwas mit künstlerischer Selbstfindung zu tun?
CB: Zu einem Teil kamen diese Kooperationen einfach als Jobs zu Stande, denn ich habe viel Backgroundgesang und Studioarbeit gemacht und war bei vielen Alben verschiedener Künstler dabei. Das Schöne war aber, dass ich auch total Bock drauf hatte. Ich war damals zum Beispiel großer Bushido-Fan und bin bis heute Fan von Wir sind Helden und Judith Holofernes. Deshalb habe ich diese Sachen gern gemacht und habe die Engagements auch danach ausgewählt. Es war nichts dabei, wo ich hätte denken können: Oh Gott!
Das hat alles Spaß gemacht. Ich habe auch einen sehr bunt gemischten Musikgeschmack. Es fokussiert sich auf HipHop, Soul und Singer/Songwriter, ich habe aber meine Ausbrüche. Es gibt verschiedene Aspekte, die mir an Künstlern gefallen. Bei dem einen ist es die Musik, die Inszenierung, bei einem anderen faszinieren mich die Texte. Ich picke mir die Sachen heraus, die ich gut finde.
Mit den Künstlern, für die ich Support gemacht habe, bin ich jetzt auch befreundet. Im Laufe meiner Karriere habe ich nach und nach immer mehr Leute kennen gelernt, was sehr gut war, denn so konnte ich immer mal nachfragen: Sag mal, bracht ihr eigentlich noch einen Support? Habt ihr Lust mich mitzunehmen? Ich bin auch pflegeleicht... (lacht)
Es ist schön, wenn durch die Arbeit eine Beziehung zueinander bleibt.
SC: Als Backgroundsängerin bist du sehr gefragt und hast auch mit Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer, Max Herre und Peter Fox gearbeitet.
CB: Moment! Peter Fox stimmt nicht ganz. Das sagen und schreiben zwar alle, aber mit Peter Fox habe ich nicht getourt. Bei Peter war ich nur auf dem Album vertreten.
Richtig ist: Meine Schwester war mit Peter Fox auf Tour! Ehre, wem Ehre gebührt. (lacht) Daher stelle ich das gern richtig: Meine Schwester Leila, L-E-I-L-A, war mit Peter Fox unterwegs. (lacht). Aber der Rest stimmt.
SC: Wenn wir uns folglich auf Udo Lindenberg, Herbert Grönemeyer, Max Herre konzentrieren wollen: Konntest du dir von diesen Großen des Geschäfts etwas abschauen?
CB: Oh ja. Es war toll zu sehen, wie diese Künstler mit ihrem Team arbeiten, ihre Band motivieren, es war sehr interessant mitzubekommen, was diese Künstler so besonders macht, auch wie sie sich auf der Bühne verhalten. Das sind ja alles sehr unterschiedliche Künstler, aber jeder hat seinen eigenen Platz gefunden, an dem er sich authentisch fühlt und das rüberbringen kann, was er mitzuteilen hat.
Ich habe mir nichts bewusst abgeschaut – nach dem Motto: So will ich es auch machen! – aber ich habe gesehen, wie diese Künstler es für sich schaffen, wie sie in ihrer Person strahlen. Das hat mir geholfen, mich auf meinen Weg zu machen, zu schauen, wie will ich es für mich machen, es für mich herauszufinden.
SC: 2006 hast du dich von Sedoussa getrennt. Was hat zu der Entscheidung geführt, eigene Wege zu gehen? Und warum hat es so lange bis zum zweiten Solo-Album gedauert?
CB: Es war bei der Band so, dass wir musikalisch ganz unterschiedliche Sachen wollten. Für mich war die logische Konsequenz, dass ich das für mich aufgebe. Es war ein schlimmer Trennungsschmerz, wie eine Scheidung. Mit dieser Band habe ich angefangen Musik zu machen, mit Anfang 20. Es war ja auch echte Freundschaft im Spiel. (seufzt) Das war schwierig.
Ich habe mir inzwischen eingestanden und gestehe es mir gerade wieder ein, dass ich von Natur aus ein langsamer Mensch bin und meine Zeit brauche, bis ich weiß, was ich will. Wenn ich es dann weiß, will ich es aber nicht larifari machen, sondern richtig. Deshalb hat es wohl so lange gebraucht, bis ich mich getrennt habe. Auch von meinem Management, meiner Plattenfirma. Als ich dann schließlich alleine da stand und nur noch die Gitarre bei mir war, habe ich nach und nach gemerkt, wo es für mich langgeht. Das hat gedauert, es war nicht so, dass ich dachte: So! Jetzt bist du allein und machst einfach Gitarre und Gesang und das wars. (lacht)
Ich wollte schließlich alles richtig ausarbeiten, stimmig machen, so dass es mir gefällt. Das hat einfach gedauert und ich bin jemand, der nun einmal für seine Sachen länger braucht. Das ist aber auch in Ordnung. Und nun ist es so geworden, wie ich es wollte.
SC: Mit „Zu Fuss“ gehst du eigene und eigenwillige Wege. Das Erscheinen der Platte hast du mit einer Videoserie angeteasert, in der du mit Musikern wie Laing, K.I.Z. oder Tim Neuhaus auf Toiletten musizierst. Wie kam es zu dieser Idee?
CB: (lacht) Ich weiß es eigentlich auch nicht. Ich bin spazieren gewesen und habe überlegt, was ich machen könnte. Als Künstler ist man ja nicht nur Künstler, sondern auch sein eigener Marketingchef. Beim Spazieren kam mir zunächst die Idee, irgendetwas mit befreundeten Künstlern zu machen, ich kenn ja auch viele. Das fand ich einfach so aber nicht originell, das kann ja jeder. Dann kam aus dem Nichts die Idee, das Ganze auf dem Klo zu machen. Als mir dann einfiel, die Videos „Stille Örtchen –Sessions“ zu nennen, dachte ich: Das passt doch total gut zu meiner Musik, ich mache ja relativ stille Akustikmusik. So etwas kommt beim Spazierengehen heraus, mich hat plötzlich die Muse geküsst. (lacht)
SC: Wie habt ihr die Klos ausgewählt?
CB: Danach, was da ist. Ich habe alle meine Freunde angeschrieben und gefragt, ob die ein schönes Klo haben, wo wir drehen können. (lacht) Dadurch kam sogar Einiges zu Stande. Andere Videos habe ich mit den Künstlern gemacht, mit denen ich auf Tour war. Wenn wir in einem Saal waren, wo es eine coole Toilette gab, haben wir einfach vor dem Auftritt, zwischendrin in den Soundcheck gequetscht, dort gedreht.
SC: Du hast „Zu Fuss“ ohne Major Label im Rücken realisiert. Warum gehst du diesen Weg – an Kontakten dürfte es dir nicht fehlen?
CB: Ich hätte wahrscheinlich schon bei meinen Kontakten anklopfen können, ich war ja mit meinem ersten Album zum Beispiel bei four music. Ich wusste aber einerseits, dass ich nicht in der besten Position sein werde, da ich mit meinen zwei Alben zuvor, die keine großen Erfolge waren, schon eine - in Anführungszeichen – verbrannte Künstlerin sein dürfte. Bei großen Labeln wird in solchen Fragen gerechnet.
Zudem bin ich auch keine Mitte Zwanzig mehr, ich habe eine Vergangenheit und kann nicht mehr geformt werden. Ich denke, dass es sich unter diesen Voraussetzungen nicht lohnt, bei einem Major Label zu unterschreiben. Es ist ohnehin besser, wenn die Leute zu dir kommen, als du zu denen. Außerdem wollte ich nicht wieder jahrelang an eine große Firma gebunden sein, die womöglich nicht wirklich motiviert gewesen wäre.
Der wichtigere Punkt ist aber, dass ich alles in der Hand haben und alle Prozesse kennen lernen wollte, die es braucht, um eine Platte rauszubringen. Welche Leute man engagiert, wie man vorgeht, was überhaupt die Label im Ganzen machen. Ich wusste schon, dass es ein großes Vorhaben sein wird, doch das es so viel Arbeit ist, hätte ich nicht gedacht! (lacht)
Jetzt weiß ich, was die Label leisten. Es war eine sehr große Herausforderung, aber ich habe wirklich viel gelernt. Ich wollte unabhängig bleiben, klein bleiben und dann mal gucken.
SC: Auf deinem Album präsentierst du handgemachten Folk-Pop, „Lagerfeuer-Soul“ nennt es die Promotion. Bist du nach all den stilistischen Ausflügen in der Form angekommen, die am Besten zu dir passt?
CB: Ja, auf jeden Fall. Ich habe ja auch lange genug dafür gebraucht. (lacht) Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt als Musikerin und in meiner Person, mit den Geschichten, die ich erzählen will, bei mir bin. Ich mache jetzt die Musik, die mir von Allem was ich bisher gemacht habe, selbst am Besten gefällt. Das ist eine krasse Erfahrung. Ich dachte früher über meine Musik, dass mir diese nicht so gut gefiel, weil ich zu selbstkritisch bin und es genügt, wenn es Anderen gefällt. Jetzt habe ich gemerkt, dass es nicht so sein muss. Ich kann Songs schreiben, die mir selbst auch richtig gut gefallen. Schön zu sehen, dass so etwas geht! (lacht)
Ich glaube, dass daraus ein Funke kommen kann, der vielleicht aufs Publikum überspringen kann. Das ist ein Gefühl, das man nicht faken kann. Eine ganz simple Sache und doch schwer zu finden.
SC: Deine Songs atmen eine luftige Leichtigkeit und feiern eine fröhliche Poesie des Augenblicks. Von Spaß an der Sache und Freude an der Wandlung scheint deine musikalische Laufbahn getragen zu sein. Wie viel von deiner Persönlichkeit steckt in „Zu Fuss“?
CB: Sehr viel. Auch wenn ich die eigene Entwicklung unter der Perspektive von Phasen sehe. Als Künstlerin entwickelt man sich weiter, man hat Phasen im Leben, in denen ist alles toll, dann hat man Phasen, in denen man sich nicht gut fühlt, doch es geht alles weiter. Mein Anliegen war, dass es ein lebensfrohes Album wird. Denn ich denke von mir, dass ich im Allgemeinen ein lebensfroher Mensch bin. Auch wenn ich Phasen habe, in denen ich nicht gut drauf bin. Doch das hat jeder. Im Grunde bin ich positiv und wollte, dass dies Gefühl beim Album herauskommt.
SC: Neben den fröhlichen Songs stehen mit „Herz ist voll“ und der Widmung an deinen Vater „Für immer“ berührende Lieder über Verlust. Ist deine Kunst für dich auch ein Weg, dem Schmerz im Leben einen Sinn zu geben?
CB: Puh. Ja. Jein. Wenn ich traurig bin oder einen Verlust verspürt habe, schreibe ich darüber und das ist vielleicht meine Art positiv zu bleiben. (berlinernd:) Nach dem Motto: Mensch, is doch toll, haste doch noch nen schönen Song bei rausbekommen! (lacht)
In dem Moment fühlt sich natürlich alles nicht so toll an. Einerseits ist es schön, wenn man über eine solche Erfahrung einen Song schreiben konnte, der gut ist und ausdrückt, was man fühlt. Ich glaube aber auch generell, dass es bei allem Negativen immer etwas gibt, dass man finden kann, aus dem etwas Positives hervorgeht. Und wenn es ist, dass man etwas gelernt hat, was man beim nächsten Mal anders macht.
Nachdem mein Papa gestorben ist, war ich sehr viel verreist, was ich vorher nie gewesen bin. In dieser Phase habe ich meine Liebe zum Reisen, auch allein, entdeckt. Aus dieser Zeit sind viele Dinge hervorgegangen, die mir viel gegeben haben und geben.
SC: Ob man dies Sinn nennt, ist womöglich nur eine Frage des Etiketts. Das Wichtige ist vielleicht, dass man etwas mitnimmt.
CB: Ja. Man könnte es auch anders machen und den Rest seines Lebens traurig sein, weil einem etwas Schlimmes widerfahren ist. Es gibt immer mehrere Weisen mit einer Situation umzugehen. Ich will das nicht pauschalisieren, denn es gibt Leute, denen Schlimmeres passiert ist, als mir. Aber für mich kann ich das sagen.
SC: „Ich glaub an den Moment, das ist meine Religion / an wahre Freunde und ein Leben vor dem Tod“ singst du in „Religion“. Was braucht es deiner Meinung nach zum Glück?
CB: (lacht) Hohoho! Es braucht dazu nicht viel. Es ist aber vielleicht ein wenig esoterisch...
Ich lese gerade wieder viel Eckhart Tolle [deutsch-kanadischer Philosoph und spiritueller Lehrer, SC]. Sein Gedanke ist: Wenn du das Glück finden willst, musst du es im Moment suchen. Ich singe das nicht, weil ich das schon kann. (lacht)
Ich denke, das ist eine Lebensaufgabe. Sondern weil ich glaube, dass es, wenn man wirklich in diesem Moment lebt, die Erfüllung ist. Das klingt natürlich wahnsinnig esoterisch, doch ich glaube wirklich daran. Denn dann denkst du nicht daran, ob du beispielsweise morgen eine Absage bekommst oder was gestern so schlimm war, was der und der gesagt hat. Wenn man von der Situation ausgeht, die wirklich jetzt gerade ist, dann kann es nur gut sein. Ich glaube, für manche ist das sehr esoterisch. (lacht)
SC: Es gibt diese Situationen der totalen Weltvergessenheit, bei denen man im Nachhinein spürt: Ich bin eben ganz bei mir selbst gewesen und es hat sich gut angefühlt.
CB: Ich habe das bisher leider in sehr wenigen Situationen. Zum Beispiel wenn ich tanze, oder einen Song schreibe. Wenn ich komplett drin bin. (überlegt) Beim Meditieren habe ich es noch nicht...(lacht)
Es sind ganz banale Sachen: Wenn ich koche, mit Freunden zusammen bin, wenn man einfach eine schöne Zeit hat, dann ist plötzlich alles Andere nicht mehr so groß, nicht mehr so wichtig. Es geht vielleicht darum, im Flow zu sein. Das kann auch bedeuten, sich völlig einer Aufgabe zu verschreiben.
Ich glaube, dass jeder Mensch das kann, wir sind nur leider oft mit anderen Dingen beschäftigt. Das ist auch in Ordnung, doch hin und wieder ist es gut, einfach durchzuatmen und sich von außen zu betrachten. Wenn man sich von außen betrachtet und denkt - Darüber regst du dich auf! Das ist doch nicht wichtig! – dann merkt man, dass es einem eigentlich ziemlich gut geht.
Tourtermine
Mit Andreas Bourani
15.01.15 Dortmund | FZW
17.01.15 Bielefeld | Ringlokschuppen
18.01.15 Bremen | Aladin
19.01.15 Aachen | Eurogress
26.01.15 Hamburg | Hamburg Sounds
07.02.15 Ludwigshafen | BASF Feierabendhaus
08.02.15 Frankfurt | Batschkapp
09.02.15 Osnabrück | Rosenhof
11.02.15 Flensburg | Deutsches Haus
12.02.15 Hamburg | Docks
13.02.15 Hannover | Capitol
15.02.15 Berlin | Huxleys
"Zu Fuss" Solo
20.02. Essen | Weststadthalle
21.02. Hannover | Theater an der Glocksee
22.02. Frankfurt | Das Bett
25.02. Karlsruhe | Kohi
26.02. München | Pasinger Fabrik
27.02. Ulm | Café Animo
01.03. Köln | Kulturcafé Lichtung
03.03. Berlin | Privatclub
05.03. Hamburg | Nochtspeicher
06.03. Weimar | Lichthaus
07.03. Unna | Lindenbrauerei
Interview: Mirco Drewes
Foto: Matt Frik
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