
08.07.2016 || StageCat: Steckte schon immer ein kleiner Schriftsteller in dir? Wann kam der Entschluss Schriftsteller zu werden?
Sebastian Niedlich: Ich denke, ich hatte in der Tat schon immer eine recht kreative Ader. Zumindest schienen in der Kindheit auch meine Spielgewohnheiten deutlich merkwürdiger, als die meiner Freunde zu sein, denn ich hatte immer gleich ganze Stories im Kopf. In der Grundschule habe ich auch kleine Comics gemalt und an die Mitschüler verteilt. Aber der eigentliche Entschluss irgendwas in Richtung Schriftstellerei zu machen, kam erst viel später. Ich war schon so Mitte 20, als ich anfing mich mit Drehbüchern zu beschäftigen. Da der Erfolg dort aber eher übersichtlich war, bin ich dann irgendwann auf Bücher umgestiegen, weil Bücher schreiben ja nicht noch viel komplizierter ist, als Drehbücher zu schreiben. Sarkasmus Ende.
SC: Was macht ein Buch von Sebastian Niedlich zu einem besonderen Erlebnis?
SN: Zumindest die gedruckten Versionen sind auf feinstem Büttenpapier bedruckt, dass von argentinischen Bergbauern in Balsakörben handgeschöpft und mit einem Hauch Ingwer versetzt wurde.
Ich glaube, ich habe die Frage falsch verstanden.
Nee, ich denke, dass ich - zumindest bisher – eine ganze gute Gradwanderung zwischen Komik und Tragik gegangen bin. Ich finde es schön, wenn Leser weinen müssen. Sei es vor Lachen oder vor Traurigkeit.
SC: In deinem Roman ‚Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens‘ begegnet der junge Martin dem Tod und dieser wird danach fester Bestandteil von Martins Lebens. Wie viel Sebastian steckt in deinen Protagonisten und beschäftigst du dich oft mit dem Tod?
SN: Martins Leben ist in der Tat bis zu einen gewissen Grad meinem eigenen Leben nachempfunden. Er ist ungefähr zur selben Zeit wie ich geboren, hat in der Gegend gewohnt, in der ich gewohnt habe, ist ebenfalls Rettungsschwimmer... es gibt noch ein paar andere Parallelen, aber es steckt weniger Sebastian in Martin, als manche Leute vielleicht denken. Auf jeden Fall hatte Martin ein sehr viel interessanteres Liebesleben als ich. Und kennt den Tod. Den kenne ich nicht. Oder zumindest nur über Umwege. Insofern beschäftige ich mich nicht allzu oft mit dem Tod. Glücklicherweise, sollte ich wohl sagen.
SC: Deine Bücher haben alle einen Hang zur schwarzen Komödie. Woher kommt deine Vorliebe für kuriose Typen (wenn man Gott oder den Tod als Typen bezeichnen darf)?
SN: Ach, ich finde es halt spannend, wenn man gewisse Dinge, über die man „nicht spricht“ oder über die man „keine Witze machen darf“ aufs Korn nimmt. Gerade da, wo sich gewisse Denkmuster in der Allgemeinheit eingebrannt haben, findet man manchmal die abstrusesten Dinge. Dort dann anzusetzen und eine andere Sicht der Dinge aufzuzeigen, finde ich interessant. Und witzig. Die Meinung teilt nicht jeder, aber so bin ich halt gestrickt.
Und die personifizierten Gestalten von Gott und Tod sind zum Beispiel solche Dinge, die in der Allgemeinheit eine gewisse „Grundart“ haben, die man aufbrechen kann. Ist der liebe Gott wirklich immer lieb? Die Bibel erzählt da eigentlich was anderes. Und ist der Tod wirklich immer schrecklich? Oder total gebildet und ruhig? Oder ist er vielleicht ein abgekämpfter Typ, der nie Urlaub hat und eigentlich immer in Hetze ist? Das sind einfach Gedankenspiele. Und manchmal komm dabei was Lustiges heraus.
SC: Bist du ein religiöser Mensch?
SN: Irgendwie fragen mich das ständig alle. Und dazu kann ich nur sagen: Nein, eigentlich nicht. Ich gehöre keiner Religion an und glaube auch an keine der mir bekannten Lehren. Will ich ganz ausschließen, dass es sowas wie einen Gott gibt? Nein. Aber wenn es einen gibt, dann bin ich felsenfest davon überzeugt, dass er sich nicht die Bohne für uns interessiert und wir uns insofern auch nicht für ihn oder sie interessieren brauchen.
SC: Was inspiriert dich?
SN: Das ist hier mit die kürzeste Frage und die, die es am meisten in sich hat.
Was mich inspiriert? Alles. Irgendwie.
Manchmal sehe ich einen Film, der total schrecklich ist, aber eine Idee drin hat, die bei mir im Kopf ganz andere Ausmaße und –wüchse annimmt. Es könnten auch einfach andere Bücher, Zeitungsartikel oder irgendwelche Ereignisse sein, die Ideen hervorbringen. Oder, ganz klassisch, „Was wäre, wenn?“-Fragen.
Was wäre, wenn der Osterhase ein psychopathischer Massenmörder wäre?
Was wäre, wenn Handwerker mal tatsächlich zu der Uhrzeit kommen würden, die man mit ihnen abgesprochen hat?
Was wäre, wenn Hitler den zweiten Weltkrieg überlebt, sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hätte und Revuetänzerin in St. Pauli geworden wäre?
SC: Welche Themen liegen dir am Herzen?
SN: Schwer zu sagen. Wobei sich nach ein paar Büchern und Kurzgeschichten Tod und Religion natürlich irgendwie herauskristallisiert haben. Aber vielleicht gehört das alles mehr zum Oberthema: Leben und Sein. Generell fasziniert die Menschheit mich. Da gibt es die, die neugierig sind, forschen und Menschen auf den Mond schicken. Und dann gibt es die, die kaum in der Lage sind, hinter das Brett vor ihrem Kopf zu schauen. Ja, die Dämlichkeit der Menschheit liegt mir zwar nicht am Herzen, aber fasziniert mich doch.
SC: Worüber kannst du nicht lachen?
SN: Das ist echt abhängig von der Tagesform. Es gibt gewisse Komiker und Schauspieler, die viele Leute lustig finden, bei denen ich nur mit den Augen rollen kann. Aber ab und an, sagen die auch mal was Lustiges.
Was Themen angeht, denke ich, dass man da offen sein sollte. Sicherlich gibt es Themen, über die sich schwieriger Witze machen lassen bzw. bei denen unter Umständen irgendwelche Moralapostel gleich laut aufschreien. Aber selbst wenn man Witze über, sagen wir mal, die Vergewaltigung von Kindern durch katholische Priester macht, trägt man zumindest dazu bei, dass solche Monstrositäten nicht vergessen werden.
Eine pauschale Antwort kann ich auf jeden Fall nicht geben. Oder ... doch, kann ich. Radioaktive Hamster. Das ist ernst. Ganz schrecklich.
SC: Du bist als waschechter Berliner nach Potsdam umgezogen. Wie kam es zu diesem Entschluss?
SN: Der naheliegendste und schönste Grund: die Liebe!
Ich wäre ja ehrlich gesagt lieber in Berlin geblieben, aber was soll man machen?
SC: Wo lebt es sich besser? Und warum?
SN: Also wenn ich rein von der Wohnung ausgehe, dann wohne ich derzeit in Potsdam besser, als ich je in Berlin gewohnt habe. Ansonsten lebt es sich in Potsdam alleine dadurch besser, weil ich mit meiner Freundin zusammenwohne. Und das sage ich jetzt nicht nur, weil sie mir gerade über die Schulter schaut und mir böse Blicke zuwirft. Nein, ich sage das auch, weil sie ein Nudelholz in der Hand hält.
SC: Du hast mal dein Interesse für Hieroglyphen bekundet. Stimmt das und wie kam es dazu?
SN: Ich hab nicht nur mein Interesse bekundet, ich habe dafür sogar eine Website gemacht. Allerdings ist die mittlerweile völlig veraltet und ungepflegt.
Ich interessiere mich schon seit der Kindheit für Geschichte und die ägyptische Geschichte hatte es mir besonders angetan. Aber tatsächlich fing ich an Hieroglyphen zu lernen, weil ich im Jahr nach meinem Abitur mit einem Chor, der von meinem ehemaligen Musiklehrer geführt wurde und der mich überredet hatte dort mitzumachen, nach Ägypten gefahren bin. Wir traten in der Kairoer Oper auf und machten auch eine Nilkreuzfahrt. Es war mein erstes Mal in Ägypten und damals sagte ich mir, dass ich wenigstens im Ansatz verstehen will, was auf den ganzen Säulen und Stelen steht.
Mittlerweile habe ich aber fast alles wieder verlernt. Schade.
SC: Wer ist dein Liebslings- Pharao? Und warum?
SN: Na ja, eigentlich habe ich so etwas nicht. Aber Ramses II und Echnaton sind schon irgendwie die faszinierendsten Pharaonen. Ramses II alleine deswegen, weil er so viel gebaut und hinterlassen hat, was man heute noch bewundern kann. Und das nur, weil er als Gottkönig natürlich ein gehöriges Ego-Problem hatte.
Echnaton hatte zwar auch die Tendenz dazu riesige Statuen von sich bauen zu lassen, aber immerhin ließ er sich so häßlich darstellen, wie er war. Und er hat den Priestern und Beratern damals quasi gesagt, dass die ihm alle den Buckel runterrutschen können und nur noch einer dieser obskuren ägyptischen Götter der echte Gott sein sollte. Außerdem ließ er mitten im Nirgendwo eine neue Stadt aus dem Boden stampfen, einfach weil er der verdammte König war und er eben Bock darauf hatte. Natürlich hatte das alles keinen Bestand und schon sein Sohn machte alles wieder rückgängig, aber immerhin hat er mal was Neues probiert. Echnaton wollte man eigentlich nach seinem Tod aus der Geschichtsschreibung tilgen, aber hat es nicht geschafft. Sein Sohn hingegen war lange Jahrhunderte völlig vergessen, bis man sein Grab dann 1920 ungeöffnet vorfand. Jetzt kennt jeder Tutanchamun, obwohl er total irrelevant war.
SC: Es heißt, Schreiben mache einsam. Stimmt das?
SN: *krault sich am wildgewachsenen Bart, in dem Vögel nisten*
Was? Haben Sie mit mir gesprochen? Das bin ich gar nicht mehr gewöhnt.
SC: Hast du ein Autoren-Vorbild?
SN: Vorbild ist vielleicht etwas zuviel gesagt, aber ich bewundere Neil Gaiman sehr. Sein Werk ist schwer einzuordnen, weil er in allen Genres zuhause ist. Er schreibt Fantasy, Horror und auch Kindergeschichten. Ich fände es schön, wenn mir ein ähnlicher Wechsel zwischen den Genres gelingen würde und die Leser das mitmachen. Allerdings befürchte ich, dass mit dem Nachnamen Niedlich das Genre Horror schwer zu bearbeiten sein wird.
SC: Wie sieht ein freier Tag im Leben des Sebastian Niedlich aus?
SN: Morgens nehme ich erst mal ein Bad in meinem Geldspeicher, bevor ich mich von James, meinem britischen Fahrer im Rolls-Royce zur Maniküre fahren lasse.
Oder ich lege mich einfach auf die Couch und spiele ein wenig auf der Spielkonsole.
SC: Welches Projekt würdest du gerne noch realisieren?
SN: Ach du meine Güte... alle!
Und da habe ich noch einige im Kopf. So ein richtiges Fantasy-Epos à là „Game Of Thrones“ (oder „Lied von Eis und Feuer“ für die Buchleser) mit einem Schuss „Scheibenwelt“ würde ich gerne schreiben.
Außerdem habe ich eine ziemlich tolle Idee für einen Krimi, der ein wenig Science-Fiction enthält. Aber da fehlt mir noch ein guter Schluß.
Und dann hatte ich noch eine Idee für ein Buch, die vermutlich unglaublich kompliziert zu schreiben wäre, weil die mit verschiedenen Stimmen im Buch arbeitet und ich bis jetzt nicht weiß, wie ich die ordentlich und unterscheidbar machen kann, damit es die Leser nicht verwirrt. Momentan bin ich einfach als Schriftsteller noch nicht gut genug, um das durchzuziehen, denke ich.
Und, ja, liebe Leser, ich denke über eine Fortsetzung von „Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens“ nach, aber auch das ist noch nicht genug gediehen, um da irgendwelche Ankündigungen zu machen.
SC: Wo siehst Du Dich in 10 Jahren?
SN: Ich hoffe, dass ich in 10 Jahren noch einige Bücher geschrieben habe, die zumindest etwas Erfolg hatten und ich davon leben kann. Ansonsten sehe ich mich mit Rückenschmerzen, weil ich die ganze Zeit vor dem Computer hänge und tippe.
SC: Wann können wir uns auf dein nächstes Buch freuen?
SN: Im September erscheinen zwei neue Kurzgeschichten zusammen mit, man höre und staune, ein paar Gedichten in einem E-Book. Im Frühjahr erscheint dann hoffentlich mein drittes Buch. Aber das ist bis jetzt noch gar nicht fertig. Übrigens, ich müsste dann mal wieder ...
Interview: JA
Foto: Kathleen Friedrich