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Im Gespräch mit Jenny Berkel über die Bedeutung von Folk, die Poesie kanadischer Natur und die Freuden selbstverfasster Lyrics

01.12.2016 || Mit ihrer ersten Headliner-Tour war der aufstrebende Stern der kanadischen Folk-Szene, Jenny Berkel, im November auch in Deutschland unterwegs, um ihr neues Album Pale MoonKid vorzustellen. Vergangenen Donnerstag spielte sie in intimer Atmosphäre im Lagari in Berlin. StageCat war dabei und hat sie befragt, zu ihrer persönlichen Entwicklung als Künstlerin, dem Genre und ihren Zukunftsplänen.

StageCat: Pale Moon Kid ist dein zweites Album. Was unterscheidet Pale Moon Kid von seinem Vorgänger Here on a Wire?

Jenny Berkel: Ich denke ich habe mich als Songwriterin inzwischen weiterentwickelt. Es ist schon vier Jahre her, seit ich mein erstes Album veröffentlicht habe. Zu der Zeit hatte ich überhaupt erst angefangen, Songs zu schreiben. Inzwischen ist viel Zeit vergangen, die Songs selbst sind besser, denke ich, und die Texte zeigen einen reiferen Ansatz. Mein erstes Album war sehr persönlich; wir hatten damals einen Trauerfall in der Familie. Also geht es in dem Album auch darum, dass ich diese traurige Ereignisse verarbeite. Ich beschäftigte mich mehr mit meinen eigenen Gefühlen. Im neuen Album geht es stärker um die Bildsprache. Statt nach innen zu blicken, schaue ich nach außen. Natürlich sind es immer noch meine eigenen Emotionen, durch ich die Geschichten erzähle, aber es geht nicht mehr nur darum, was ich zur Zeit fühle.

SC: Als Singer-Songwriterin schreibst du deine Songs natürlich selbst. Denkst du, das macht sie auch immer autobiographisch?

JB: Damit ein Song sich für mich ehrlich und wahr anhört, wenn ich ihn singe, muss er ein Stückchen Wahrheit beinhalten. Es muss etwas in dem Song sein, das ich bin, damit er etwas Bestimmtes ausstrahlt, wenn ich ihn singe. Natürlich schreibe ich Songs, die nicht meine eigene Geschichte erzählen. Trotzdem denke ich, dass es wichtig ist, meine eigene Perspektive einzubringen. So fühlt es sich direkter und verletzlicher an. Das macht sie nicht automatisch autobiographisch, aber es sind sicher kleine Teile meiner Selbst in diesen Songs.

SC: Bob Dylans Texte wurden gerade mit dem Literaturnobelpreis gewürdigt. Als was begreifst du deine Texte? Sind Songtexte nur mit Musik unterlegte Gedichte oder können sie etwas völlig anderes darstellen?

JB: Das ist abhängig von den Autoren und deren Ansatz. In der Tradition des Folk ist es aber besonders wichtig, dass die Texte sorgfältig gesponnen und verwoben sind. Meine Lieblingstexte sind solche, die man als Gedichte lesen könnte. Das ist kein Muss. Für mich ist es dennoch ein wundervoller Aspekt des Berufs, mit der Sprache spielen zu können — wenn nur die Stimme und die Gitarre im Mittelpunkt stehen und man Zeit darauf verwenden kann, die Texte zu formen.

SC: Wenn du eine Idee für einen Song hast, wie ist der Ablauf von der Idee bis zum Resultat?

JB: Es kommt darauf an. Normalerweise versuche ich jeden Morgen wenigstens einige Stunden zu schreiben — wenn ich nicht gerade auf Tour bin. Dabei probiere ich meist einfach ein wenig herum, aber in letzter Zeit habe ich häufiger Gedichte verfasst und dann versucht, Wege zu finden, diese musikalisch zu verarbeiten. Sonst habe ich auf meiner Gitarre gespielt, mir ist vielleicht ein Vers eingefallen und der Text hat sich dann von selbst entwickelt.

SC: Deine Musik wurde oft mit der Weite und Erhabenheit der kanadischen Natur in Verbindung gebracht, aber du lebst in der Stadt. Hat das mit Eskapismus zu tun?

JB: Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Bis ich 18 oder 19 war, haben wir mitten im Nirgendwo gewohnt, seitdem lebe ich aber in der Stadt (Montréal). Das ergibt für mich logistisch Sinn. Ein großer Teil von mir wünscht sich aber noch auf dem Land zu leben. Es gibt einen Teil von mir, der sich sehr dorthin gezogen fühlt. Das ist vermutlich der Grund, dafür dass die Natur eine größere Rolle in meinen Texten spielt als die Stadt.

SC: Ist es eine Ablenkung in der Stadt zu leben oder kann es der Kreativität förderlich sein?

JB: Der Kreativität kann es sicher förderlich sein. Ich ziehe bald wieder um und habe tatsächlich die Möglichkeit, wieder aufs Land zu ziehen. In Kanada, einem Land, das so groß und so spärlich besiedelt ist, kann es als junger Mensch aber auch beängstigend sein, sich so zu isolieren und gewissermaßen von der Menschheit abzuschotten. Man muss gut allein sein können.

SC: Hat die Melancholie und Tagträumerei deiner Musik etwas damit zu tun, dass unsere Welt derzeit so fieberhaft hektisch ist?

JB: Für mich als Autorin und als Zuhörerin ist es oft wichtig, Musik zu hören, die träumerisch und ruhig ist, weil wir irgendwo immer so beschäftigt sind. Die Menschen sprechen über das Handy und über das Internet ständig miteinander. Das ist so, als würde jeder konstant auf dich einschreien. Ich finde es hilfreich, Musik zu hören, die mich an einen anderen Ort bringen kann.

SC: Ist das der Grund, aus dem Leute Folk hören? Was bedeutet das Genre für dich?

JB: Ich denke Folk bringt Menschen zusammen. Sie soll etwas sein, das jeder verstehen kann. Die Musik selbst ist meist recht einfach gehalten. Sie ist nicht wie Jazz, nicht so kompliziert. Textuell ist es sehr wichtig, Geschichten oder Gedichte auf eine Art und Weise zu erzählen, die jeder nachempfinden kann. Ich denke, die Menschen hören Folk, weil Musik eine geteilte Erfahrung sein sollte. Das ist der Grundsatz von Folk, dass wir alle zuhören und etwas Gemeinsames empfinden können.

SC: Dies ist deine erste Headliner Tour. Herzlichen Glückwunsch. Inwiefern unterscheiden sich Tours in Nordamerika von denen in Europa?

JB: Sie sind aus vielen Gründen unterschiedlich. Einer davon ist, dass man in Kanada so weit fahren muss, um überhaupt in die Stadt zu gelangen. Während einer dreimonatigen Tour bin ich dreißigtausend Kilometer in meinem Auto gefahren; das ist sehr weit. Das Schöne an Europa ist also, dass man manchmal nur eine Stunde fahren muss. Fünf Stunden Fahrt sind ein langer Weg. Für uns macht das einen riesigen Unterschied. Nicht immer, aber häufig, ist es auch einfacher in Europa ein Publikum zu finden, das wirklich zuhört. In Nordamerika sind die Menschen mehr darauf aus, laut unterhalten zu werden. Es gibt weniger Orte, an denen sich Menschen zusammenfinden, um einfach ruhig der Musik zu lauschen.

SC: Was für Pläne hast du jetzt, nach dem Album und nach der Tour?

JB: Ich werde mir ein paar Monate Auszeit nehmen und mich auf das Schreiben konzentrieren. Nebenbei hoffe ich, weiterhin ab und zu touren zu können.

SC: Letzte Frage: Wann weißt du, dass ein Auftritt erfolgreich war?

JB: Ich denke, wenn man eine Energie im Raum spüren kann, die von den Musikern auf der Bühne und dem Publikum geteilt wird, wenn sie eine besondere Verbindung haben, die so sichtbar ist, dass auch jemand der erst später eintrifft, sie sofort bemerkt. Wenn ein Auftritt sich wie eine gemeinsame Erfahrung anfühlt.

Wir danken Jenny Berkel für das Gespräch.

Text: Leia LeCiel
Bild: Jen Ochej

 

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