05.03.2014 || StageCat: Herr Sorge, Sie haben sich zeitweise mit verschiedenen Jobs von Ballonverkäufer über Lieferfahrer und Dachdecker bis Messebauer über Wasser gehalten. Was war Ihr spannendster und was Ihr nervigster Job?
Frank Sorge: Am spannendsten ist es, wenn Schüler in meinen Workshops etwas aufschreiben und ich in ihren Gesichtern zu lesen versuche. Sonst waren bei allen Jobs die Wartezeiten nervig: leere Straßenfeste, Staus, einsame Straßen vor Messehotels.
SC: Was ist die skurrilste Geschichte, die Ihnen beim Jobben widerfahren ist?
FS: Da ist manches passiert, vieles zum Glück nur beinahe. Als Gegenbeispiel fällt mir der Sommertag ein, an dem ich allein einen sauschweren Fernseher in eine Dachgeschosswohnung bringen und mit Wandhalterung montieren sollte. Die Bewohnerin zog sich gerade das T-Shirt aus, als ihre Mutter kam, um nach dem Rechten zu sehen.
SC: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
FS: Es ist vielleicht andersherum, das Schreiben tritt an einen heran und man lehnt das Angebot nicht ab. Ich habe als Kind vieles nachgemacht, was mir gefallen hat. Comics waren meine erste selbstgewählte Lektüre, schnell habe ich Comics gezeichnet und wollte Comiczeichner werden. Sobald ich Bücher gelesen habe, habe ich geschrieben und wollte Schriftsteller werden. Bei irgendetwas muss man dann bleiben, Worte erscheinen mir bis heute als fortwährend faszinierendstes Medium.
SC: Welcher Aspekt Ihrer Arbeit macht Ihnen am meisten und welcher am wenigsten Spaß?
FS: Welche Arbeit?
SC: Was inspiriert Sie, wo holen Sie sich den Stoff für Ihre Geschichten?
FS: Wenn ich mal keine Idee habe, gehe ich raus und spaziere die Müllerstraße runter. Oder fahre zum See und gehe dort schwimmen – dort schwimmen ja die merkwürdigsten Leute. Sonst lese ich das Internet leer und hoffe, dass es irgendwie in mir widerhallt. Die sicherste Methode ist, Menschen zu treffen.
SC: In Berlin sind Sie als Mitglied der Weddinger "Brauseboys" als versierter Lesebühnen-Performer bekannt. Wie wichtig ist Ihnen das direkte Feedback des Publikums?
FS: Ohne das Publikum kann man nicht über sich hinauswachsen, ich hätte mich wohl irgendwo vergraben mit meinen Gedanken und Möglichkeiten. Ohne es würde ich den Text am Donnerstag vielleicht gar nicht schreiben, und wenn er vor unserem Publikum nicht besteht, wo dann? Publikum entgeht kaum etwas, auch toll. Eigentlich irre, dass sie uns bezahlen und nicht andersherum.
SC: Wie stellen Sie sich die Rezeption Ihrer Texte im Idealfall vor? Von Ihnen vorgelesen oder jeder für sich unter der Nachttischlampe?
FS: Die Nachtischlampe ist so romantisch, natürlich wünsche ich mir das dringend. Wenn ich da auch noch vorlesen würde, stört das nur.
SC: In den Kurzbiografien von Autoren gilt es als schick, einen zweiten Wohnort anzugeben, z.B. Autor XY wohnt in Essen und Los Angeles. Welche zweite Stadt wäre das bei Ihnen und wieso?
FS: Ich wohne nur in Berlin. Vielleicht auch mal in Peking oder San Francisco, aber jetzt noch nicht.
SC: Ihr neues Buch “Degeneration Internet“ handelt von der weiten Welt des Internets. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?
FS: Wie hätte ich die aufwühlendste Erfindung unserer Zeit ignorieren sollen, ich sitze außerdem permanent davor. Texte über Erfahrungen im Netz und Beziehungen zu Computern sammle ich seit langer Zeit, ein Buch daraus zu machen schwebte mir seit Jahren vor.
SC: Warum sollten unsere Leser dieses Buch auf keinen Fall verpassen?
FS: Keine Ahnung. Weil es da ist. Weil ich mir Mühe gegeben habe. Weil mir kein ähnliches Buch zu diesem Thema einfällt. Außerdem gibt es einen integrierten Ratgeber zum gezielten Ausschalten von Elektrogeräten, falls man damit Probleme haben sollte. Der Trick ist, schon das Buch in die Hand zu nehmen wirkt in der Hinsicht heilsam.
SC: Und was erwartet Einen, wenn man Sie live bei den “Brauseboys“ erleben will?
FS: Einen Autor, der um neue Texte ringt und gut den Dönermann nachmachen kann. Zum Glück gibt es dann noch die anderen.
SC: Welche Projekte haben Sie gerade in der Pipeline?
FS: Das nächste Kurzgeschichtenbuch, halb fertig und gar. Es geht um Döner.
SC: Wie ist der "private" Frank Sorge so?
FS: Fragen Sie doch die NSA! Haha, recht normal.
SC: Wie würden Sie einem aufgetauten Höhlenmenschen das Internet und die Netzkultur erklären?
FS: Ich würde versuchen, eine Maus mit einem Faustkeil zu vergleichen. Spätestens bei "du musst den Computer hochfahren" muss ich aber zwangsläufig scheitern.
SC: Danke für das Gespräch!
Interview: David Wölfle
Foto: Axel Völcker