
13.02.2014 || StageCat: Ihre Vita listet eine Menge verschiedenster Jobs und Ausbildungen auf, u. a. Diplom-Sozialarbeiterin, Visagistin, Hostess, Kellnerin und Anti-Gewalt-Trainerin. Wie kamen Sie letztlich zur Comedy und haben Sie es jemals bereut, diesen Weg gegangen zu sein?
Dagmar Schönleber: Die Reihenfolge stimmt nicht ganz: Die Weiterbildung zur Anti-Gewalt-Trainerin habe ich erst vor 4 Jahren gemacht, da war ich ja schon laaaange in Sachen Comedy und Kabarett unterwegs. Vor elf Jahren habe ich, um meinen nervigen Nebenjoballtag als Straßenabsperrerin für Filmsets zu verarbeiten, angefangen, Kurzgeschichten zu schreiben. Meine Freundin Lena hat diese gelesen und meinte, ich sollte diese mehreren Leuten zugänglichen machen. Kurze Zeit später habe ich gegen sie eine Wette verloren, deren Einsatz war, dass ich auf einer offenen Bühne in Köln eine dieser Geschichten vorlesen muss. Das hat gut geklappt und es saß, wie so oft in Köln, jemand im Publikum, der mich direkt zu einer anderen Show eingeladen hat und kurze Zeit später war ich bei Knacki Deusers „Nightwash“ und war somit im Bereich „Comedy“ gelandet. Allerdings habe ich anfangs eigentlich in erster Linie Poetry Slams und Lesungen gemacht.
SC: Gibt es einen Alternativplan?
DS: Hach, im Notfall gibt es den doch immer, oder?
Jedoch habe ich durch die Gewaltpräventionstrainings und Seminare, die ich gebe (Themen wie Kommunikation und Kooperation, soziale Kompetenzförderung usw.) schon ein zweites Standbein, das mir zum Glück auch viel Spaß macht.
SC: Haben Sie immer noch Lampenfieber, wenn Sie vor ein Publikum treten oder sind Sie mittlerweile routiniert darin?
DS: Ich hatte glücklicherweise noch nie so schlimmes Lampenfieber, dass ich wirklich gehandicaped war. Ich hörte mal, Reinhard Mey muss jedes Mal kotzen, bevor er auf die Bühne geht... armer Kerl. Dabei hat er so schöne Lieder! Jedenfalls: Ich bin nervös oder ich werde spätestens dann nervös, wenn ich nicht nervös bin. Es ist aber eher eine freudige Anspannung, die einen auch wach macht und notwendig ist, damit man beispielsweise in Köln nicht „Hallo Düsseldorf“ sagt.
SC: Worum geht es in Ihrem aktuellen Programm „Schöner Leben“?
DS: Um die Absurdität unseres Alltags, vom Fernsehprogramm über Bindegewebsschwäche bis hin zur individuellen Konfliktbearbeitung durch Gründung einer phantasievollen Terrorgruppe, um die Spannbreite eines „schönen Lebens“ (die einen streben nach moralischer Integrität, die anderen gehen in die Politik), und darum, dass es den meisten von uns ziemlich gut geht, gemessen an den armen Menschen in sämtlichen Reality-TV-Shows. Oh, und in meinen Liedern stirbt meist jemand, was ja auch irgendwie zum Leben gehört.
SC: Wo finden Sie Inspiration für Ihre Programme?
DS: Überall. Ich beobachte Situationen und stelle mir vor, wie ich sie gerne enden lassen würde.
SC: Mit wem würden Sie gerne einmal auf der Bühne stehen?
DS: Ich habe schon mit so vielen großartigen Menschen auf der Bühne gestanden, aber wenn ich einmal Vorprogramm für Die Ärzte sein, oder ein Duett mit Lemmy Kilmister oder Dave Grohl singen dürfte... dafür würde ich auch großes Lampenfieber in Kauf nehmen.
SC: Haben Sie einen Tipp für Nachwuchs-Comedians?
DS: Authentisch sein. Erzähl von dem, was dich beschäftigt. Mich interessieren Persönlichkeiten und Haltung auf der Bühne, nicht nur die Gags.
SC: Wann fällt es Ihnen schwer, witzig zu sein?
DS: Wenn ich den Eindruck habe, niemand hat Lust, mir zuzuhören.
SC: Wo hört bei Ihnen der Spaß auf?
DS: Bei Machtmissbrauch und Intrigen.
SC: Welcher Aspekt Ihrer Arbeit macht Ihnen am meisten und welcher am wenigsten Spaß?
DS: Ich hasse es, mich hinzusetzen und zu schreiben. Mir fallen dann tausend Sachen ein, die ich dringender und lieber machen sollte, ich zappele herum, habe schlechte Laune und motze vor mich hin. Ich liebe es aber, geschrieben zu haben. Wenn dann da plötzlich etwas entstanden ist, von dem man gar nicht mehr so richtig weiß, wie der Prozess war, warum die Figuren in der Geschichte plötzlich das oder das gesagt haben, aber es ist gut und auf der Bühne funktioniert es, das ist toll.
SC: Gilt das mit dem „Schreiben-Hassen“ auch für Ihr neues Buch „Vierzig Fieber“, das Ende März im Satyr Verlag erscheinen soll? Ist es unter Gewaltandrohung entstanden?
DS: Zum Glück nicht, nein. Es sollte ganz ursprünglich ein Kurzgeschichtenband zum Thema „Älterwerden“werden, aber dann habe ich mich so an die auftretenden Figuren gewöhnt, dass die plötzlich immer häufiger zu Wort kommen wollten und dann ist es schlussendlich fast ein Roman geworden. Und das ist ganz freiwillig passiert.
SC: Ist Älterwerden tatsächlich mit einer Krankheit gleichzusetzen?
DS: Na ja, manche „Malessen“ kommen ja erst mit dem Alter, aber oftmals handelt es sich, glaube ich, auch um Phantomschmerzen. Ich bekomme mit, dass viele sich hypochondrisch den Kopf zerbrechen, wenn wieder ein runder Geburtstag naht, und das tut denen dann weh. Aber ich glaube, dass einiges auch leichter und relaxter wird, wenn man älter wird.
SC: Warum sollten unsere Leser dieses Buch unbedingt kaufen?
DS: Weil jeder mal vierzig werden könnte. Zumindest sollte. Und dann sieht er oder sie, dass es gar nicht so schlimm ist, bzw. dass man gar nicht der oder die einzige ist, der sich merkwürdige Gedanken macht oder zwischendurch mal spinnt. Und das „Spinnen“ sowieso nichts mit dem Alter zu tun hat.
SC: Ist es denn jetzt ein Roman oder eine Kurzgeschichtensammlung?
DS: Es ist ein Roman, der episodisch gestaltet ist. Manche Kapitel können auch für sich stehen, ohne dass man die Rahmenhandlung kennt, allerdings machen die Figuren eine Entwicklung durch und es gibt eine Chronologie in der Geschichte.
SC: Und, wie sieht das bei Ihren anderen Büchern aus? Warum sollte man die haben wollen?
DS: Weil man doch auf einem Buch nicht stehen kann! Und warum soll ich sie alle behalten? Ich kenne die ja schon!
SC: Gewähren Sie uns einen kleinen Einblick in zukünftige Projekte?
DS: Nö.
Na gut: ich werde weiter schreiben, vorlesen und dazu Lieder spielen, überall dort, wo man mich einlädt. Außerdem plane ich sowohl die Errichtung eines Finanzimperiums, als auch die Rettung des Weltklimas inklusive einer Lösung für die kommende Überbevölkerung bei gleichzeitiger Ressourcenknappheit, sowie eine gelungene Revolution in Sachen „Frauen mit Gitarren und Texten können durchaus so lustig sein, dass sie auch in angeblich kulturell hochwertigen Sendungen in den öffentlich rechtlichen Fernsehprogrammen stattfinden sollten“. Aber letzteres ist vielleicht etwas utopisch.
SC: Dagmar Schönleber in drei Worten.
DS: „Dagmar Schönleber“ sind ehrlich gesagt nur zwei Worte, ohne Sie jetzt vor den Kopf stoßen zu wollen...
SC: Wo sehen Sie sich in 10 Jahren?
DS: Hoffentlich immer noch auf den Bühnen dieser Welt, gerne vor vollen Häusern, müssen auch keine 5000er Hallen sein.
SC: Danke für das Gespräch!