
11.08.2014 || Connie Roters startet mit "Tod in der Hasenheide" in ihre Berlin-Krimireihe. Roters stammt aus einer Soldatenfamilie und verarbeitet das Thema traumatisierter Kriegsheimkehrer zu einer düsteren Moritat. Wir sprechen über den langen Weg zum Buch, die psychologische Betreuung von Soldaten in und nach Einsätzen und ihre Verbindung zu Berlin-Neukölln.
Stagecat: Frau Roters, sind Sie Neuköllnerin?
Connie Roter: Wie definiert man das? Ich bin keine Neuköllnerin per Geburt, aber eine aus Leidenschaft. Bisher jedenfalls. Der Kiez verändert sich zurzeit rasant und ich weiß noch nicht, ob mir das gefällt.
SC: Sie leben seit 34 Jahren in Berlin. Was gefällt Ihnen am Leben in der Hauptstadt?
CR: Das man so sein kann, wie man will. Es gibt sehr viele unterschiedliche Lebensentwürfe, die alle gleichberechtigt nebeneinander stehen. Das hat mich vom ersten Tag an begeistert.
SC: Ihre Vita listet eine Menge unterschiedlicher Tätigkeiten auf. Sie haben als freie Journalistin, Filmschaffende, Agentin, Veranstalterin für Kleinkunst und Sozialarbeiterin gearbeitet. Der rote Faden scheint die Arbeit mit Menschen zu sein. Wie kam es zu dieser bunten Berufsbiographie?
CR: Früher habe ich immer gesagt: Ich sammle Berufe. Und irgendwie ist es auch so. Ich bin ein neugieriger Mensch und lerne gerne etwas Neues dazu. Wenn ich etwas länger mache, fange ich an, mich zu langweilen.
SC: Dieser Tage ist ihr Krimi „Tod in der Hasenheide“ im Emons Verlag erschienen. Wie kam es zu diesem relativ spätem literarischen Debüt?
CR: Als Publizistin wollte ich einmal in meinem Leben ein Buch schreiben. Aber es gab es immer so viel anderes zu tun und zu lernen und neue Tätigkeiten…
2009 habe ich es dann endlich geschafft, einen VHS Kurs für kreatives Schreiben zu belegen und ehe ich mich versah, wurde das Schreiben zum Selbstläufer. Gar nicht so einfach neben einer Berufstätigkeit. Ich habe den Krimi in erster Linie für mich und meine Freunde geschrieben. Und es sollte unbedingt ein Krimi sein, weil ich dieses Genre liebe, vor allem die skandinavischen Krimis.
SC: Ihr Manuskript haben Sie über eine Literaturagentur verkauft. Welche Vorteile hat für einen neuen Autor die Zusammenarbeit mit einer Agentur?
CR: Ich glaube, dass man als neue Autorin ohne Agentur nur sehr schwer einen soliden Verlag findet. Und Vertragsangelegenheiten sind ja auch nicht ohne. Ich wollte nicht über den Tisch gezogen werden. Dafür war mir mein Buch zu wichtig. Und von der Wortunion [Roters' Agentur; d. Redaktion] wurde es auch wichtig genommen und das hat gut getan und Mut gemacht. Ich möchte die Zusammenarbeit mit meiner Agentur nicht missen und würde mich wieder so entscheiden.
SC: Mit ihrem Noir-Krimi setzen Sie dem beliebtesten Neuköllner Park ein Denkmal. Was verbindet Sie mit diesem Ort?
CR: Das Joggen. Dort habe ich meine ersten Runden gekeucht, als ich noch in dem Kiez am Flughafen wohnte. Ich bin auch oft spazieren gegangen oder habe mich in den Rosengarten gesetzt. Ich finde die Hasenheide so bunt wie Neukölln, so viele Kulturen, die friedlich nebeneinander den Park nutzen.
SC: Es gibt in ihrer Geschichte allerlei beschädigtes Leben und Figuren mit schwierigen Biografien zu entdecken. Obdachlose und gewaltbereite Soldaten bevölkern die Szenerie ebenso wie vereinsamte Polizisten, die an ihrer Arbeit auszubrennen drohen. Woher kommt die Vorliebe für schwierige Charaktere?
CR: Ich habe selber eine schwierige Biografie und da fühlt man sich zu anderen, die ebenfalls eckig durchs Leben gegangen sind, zugehöriger.
Mein Vater ist Berufssoldat. Ich bin mit Soldaten aufgewachsen, war viel in Kasernen, bin viel umgezogen und musste einige Krisen meistern. Und ich habe selber Gewalt erlebt, zum Glück aber nicht in der Familie. Die habe ich erst in Berlin bei meiner langjährigen Tätigkeit in einer Kriseneinrichtung für Jugendliche und junge Erwachsene kennen gelernt. Dort habe ich Dinge gehört und gesehen, von denen ich nicht gedacht hätte, dass es sie tatsächlich so gibt.
Letztendlich hat mich dieser Job ausgebrannt. Aber für meine Geschichten war er ein hervorragendes Fundament, genauso wie der Rest meines Lebens. Ich weiß, wovon ich schreibe.
SC: Ihr Protagonist, der Hauptkommissar Breschnow, hat ein starkes Alkoholproblem und ist ein knurriger Zeitgenosse, der erst auf den zweiten Blick seine herzliche Seite zeigt. Was hat Sie zu dieser Figur inspiriert?
CR: Mich hat die innere Zerrissenheit dieser Figur interessiert. Breschnow trinkt, weil er sich nicht aushält und trotzdem nicht aus seiner Haut kann. Er ist Polizist mit Leib und Seele, ein Terrier unter den Ermittlern, aber er lebt auch seine Kreativität, schreibt Gedichte und hat eine Heidenangst davor, dass seine Kollegen das herausfinden.
SC: Im Mittelpunkt ihrer Geschichte steht ein Mordkomplott von ehemals in Afghanistan eingesetzten und traumatisierten Soldaten. Wie verlief die Recherche für dieses brisante Thema?
CR: Lange und zäh. Zum Glück gibt es viel Sekundarliteratur. Das ersetzt zwar keine persönlichen Gespräche, aber bereitet gründlich vor. Zugute kamen mir auch meine vorherige Arbeit mit Traumatisierten und die Kenntnisse über die Bundeswehr und ihre eigenen Regeln und Gesetze. Traumatisierte Soldaten reden nicht gerne über ihre Erlebnisse, was sehr verständlich ist. Ich habe sie teilweise hier in Berlin getroffen und in Rehabilitationseinrichtungen.
SC: In den Medien sorgen immer wieder Auswüchse in der soldatischen Ausbildung für Aufsehen. Wie schätzen Sie die Ausbildungsbedingungen in deutschen Kasernen und insbesondere die Vor- und Nachsorge im Umgang mit Soldaten im Auslandseinsatz ein?
CR: Wie soll man junge Menschen auf einen Kriegseinsatz vorbereiten? Das kann man nicht, egal wie gründlich man ausbildet. Die Soldaten erlernen Kriegstechniken, um sich zu verteidigen und sie werden psychisch geschult, aber das ist doch alles Theorie. Krieg kann man nicht vermitteln. Und es wundert mich nicht, dass doch ein beachtlicher Prozentsatz an den Folgen des Einsatzes zu leiden hat.
Bei der Nachsorge gibt es m.E. Lücken. Viele Traumatisierte lassen sich nicht behandeln, weil sie sich schämen. Da müsste man Aufsuchender sein. Andere Soldaten wiederum wollen behandelt werden, aber ihr Leiden wird nicht als Trauma akzeptiert.
Ich habe einen Soldaten gesprochen, der vier Auslandseinsätze hinter sich hatte. Jedes Mal, wenn er zwischendrin in Deutschland war, hat er sich bei zugezogenen Vorhängen von der Welt zurückgezogen, die Wohnung nicht verlassen, einfach nur im Dunkeln gelebt. Aber die Bundeswehrärzte haben ihn nicht als traumatisiert eingestuft.
SC: Was halten Sie von Aussagen wie der des ehemaligen Verteidigungsministers Struck: „Unsere Sicherheit wird am Hindukusch verteidigt“?
CR: Diese Aussage halt ich für falsch.
SC: In sozialen Medien erhält ihr Titel sehr positives Feedback. Ermutigt Sie diese Resonanz weiterhin als Autorin in Erscheinung zu treten? Ist womöglich eine Breschnow-Reihe geplant?
CR: Oh ja! Ich habe mich in diesen Hauptkommissar verliebt und ich möchte gerne noch einige Fälle mit ihm gemeinsam lösen.
Das zweite Buch ist bereits bei meiner Agentur und das dritte in Arbeit.
SC: Wir danken für das Gespräch.
Interview: Mirco Drewes
Foto: Andrea Hansen