20.08.2019 || StageCat: Hi, wie gehts euch heute?
Stellt euch doch bitte mal kurz vor.
YY: Wir sind eine Band aus Berlin, die sich musikalisch zwischen Soul, funky Rock und jazzigem TripHop bewegt und die geprägt ist durch die Stimme des amerikanischen Sängers Shon Abram, den Sound des Berliner Trompeters und Produzenten Florian Scheffler aka DDIY und die Energie des japanischen Gitarristen Kota Maeda, des argentinischen Schlagzeugers Francisco P. Riccheri und des Berliner Bassisten Lüder Lindau.
SC: Ihr kommt von verschiedenen Ecken. Wann und wieso seid ihr hier in Berlin gelandet?
Flo: Berlin war der Ort der Wahl aufgrund der Kreativität, die sie ausstrahlt. Es gibt hier viel Musik, viel Kunst, viele Lebenskünstler, angezogen von billigem Wohnraum, viele verrückte Menschen. Das macht die Stadt so interessant. Auch, dass sie nie fertig zu sein scheint und es Möglichkeiten gibt, beim Wandel dabei zu sein. Leider ist vieles mittlerweile anders als vor zehnzwanzig Jahren, viel gesettelter und spießiger. Und natürlich haben auch wir unseren Teil dazu beigetragen. Drei von uns haben Kinder und Familien und haben ihren Lebensmittelpunkt und ihr Zuhause hier in Berlin gefunden, denn auch wir beiden Deutschen sind nicht ursprünglich von hier.
SC: Wo lebt es sich besser? Und warum?
Flo: Ich bin aus Niedersachsen, bin auf dem Dorf aufgewachsen. Natürlich hat eine Stadt da deutlich mehr zu bieten. Zwar habe ich auch in Städten gewohnt. Aber wenn man Hannover und Bremen addieren würden, wäre es immer noch nicht halb so groß wie Berlin.
Shon: Ich vermisse meine Familie, den Strand und das Wetter zuhause in Los Angeles. Nichts ist vergleichbar damit. Was ich nicht vermisse, ist das ständige Autofahren. Berlin bietet allen, die frei und kreativ sein wollen, die Möglichkeit, ihre Kunst auszuprobieren und ohne Druck herauszufinden, wer sie als Künstler sind. Dafür wird Berlin immer einen besonderen Platz in meinem Herzen einnehmen, weil andere Künstlerstädte sich dem Gesellschaftsleben zugewandt haben, und Künstler, die ohne Szene auskommen müssen, zurückgelassen haben.
SC: Wie habt ihr euch getroffen? Und wann habt ihr beschlossen, zusammen Musik zu machen?
Flo: Alles begann an einem 3. November. Shon schrieb mir über Facebook den folgenschweren Satz: „Yo Bro, what's up?“. Ich war erst einmal irritiert, ich kannte Shon nicht, war offenbar irgendwann einmal bei einer Freundschaftsanfrage unvorsichtig gewesen und hatte auf annehmen gedrückt. Aus einem doch schlichten „Fine and you?“ entwickelte sich schnell ein erstes Abtasten, ein Treffen und schließlich: YY:.
SC: Eurer Album ‚Greatest Hits (so far)‘ ist neulich erschienen. Warum sollen unsere User dieses unbedingt kaufen?
Flo: Weil es bis jetzt unser Album mit den größten Hits ist ; )
Nein, im Ernst. Es ist tatsächlich die Essenz unserer letzten beiden Jahre. Wir haben es bei Daniel Nentwig, Keyboarder von The Whitest Boy Alive, in seinem Studio in Neukölln live aufgenommen. Daher hat es eine besondere organische Stimmung. Menschen, die Soul und etwas Rock und etwas Reggae mögen, sollten es sich unbedingt anhören!
SC: Was inspiriert euch?
Shon: Künstler, die mit ihrer Kunst Statements abgeben und versuchen, die Gesellschaft zu verbessern. Es ist lange her, dass sich Künstler für das einsetzen, woran sie glauben. Ich denke, Lady Gaga und John Legend waren die letzten beiden, die ihr Image wirklich genutzt haben, um aufzustehen und ihrer Überzeugung eine Stimme zu geben. Es ist an der Zeit, Musik zu machen, die die Menschheit verändert und nicht den Plattenverkauf zum Gegenstand hat, sondern die Menschen dazu inspiriert, das Beste zu geben, was sie können.
SC: Welche Themen liegen euch am Herzen?
Shon: Alle Themen liegen beim Schreiben erstmal auf dem Tisch. Von der Vertreibung von Flüchtlingen bis hin zu Rassismus, der Gleichstellung der Geschlechter, dem Rechtsruck, dem Klimawandel. Wie wird die Menschheit enden, wenn wir nicht bald unsere Augen öffnen? Schau dir die Welt an, Amokläufe in den USA ... Trump, Johnson, die AFD und andere rechtsgerichtete Gruppen haben all das aus dem Alltag gemacht, ohne dass Künstler mit Durchschlagskraft Widerstand leisteten.
SC: Worüber könnt ihr nicht lachen?
Flo: Über Hass. Ob im Internet oder im Straßenverkehr. Es wird immer salonfähiger, Hass zu säen und Lügen zu Wahrheit umzudrehen. Ich habe im Moment keine Ahnung, wie sich das wieder umkehren lässt. Mein vorherrschendes Gefühl dabei ist schlicht Ohnmacht. Genauso wenig kann ich über Diskriminierung und Rassismus lachen. Shon hat leider diesbezgl. eine mega schlechte Erfahrung erleben müssen. Ende 2017 wurde er Opfer eines rassistisch motivierten Übergriffs. Seitdem kämpft er um sein Augenlicht und hat viele Operationen über sich ergehen lassen müssen. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass seine Augen sich mit der Zeit regenerieren können und sich sein Leben wieder halbwegs normalisiert. Er kämpft nach wie vor mit Panikattacken und es dauert sicher noch eine ganze Weile, bis er das verarbeitet hat.
Shon: Über den Zustand, in dem die Welt ist, und mit der unsere Kinder klarkommen müssen. Schau dir an, was wir mit dieser Welt gemacht haben. Haben wir bald noch frisches Wasser zu trinken? Welche Völkermorde werden stattfinden, weil rechtsextreme Politiker Hitler spielen? Welche Tiere lernen unsere Kinder persönlich kennen und nicht nur auf Youtube?
SC: Was/wer sind eure Vorbilder?
Shon: Meine Oma ist meine beste Freundin. Sie brachte mir zusammen mit meiner Mutter bei, wie man bedingungslos liebt und wie man Menschen mit Respekt begegnet. Sie ist 88 und auf Facebook und WhatsApp und hat mir versprochen, dass sie versuchen wird, 100 zu werden. Musikalische Vorbilder? Wieviel Platz habe ich hier? Ich liebe verschiedene Künstler aus verschiedenen Gründen. Niemand kann mit Michael Jackson, Prince, Madonna, Tina Turner oder Janet Jackson mithalten. Gesanglich verehre ich Luther Vandross, Whitney Houston und viele Gospelkünstler. Politische Künstler wie Aretha Franklin und Stevie Wonder setzten ihre Power ein, um Probleme anzugehen. Ich bin ein Kind der 80er Jahre und habe jede Minute Musik geliebt, die mir gezeigt wurde ... Man, I love all Genres!
SC: Was macht ihr, wenn ihr nicht musikalisch unterwegs seid?
Flo: Wir müssen leider auch arbeiten. Wie schon erwähnt haben drei von uns Familien. Großes Ziel ist natürlich, wieder von der Musik leben zu können.
SC: Und, wie sieht es in der Freizeit aus?
Flo: Ich stehe total auf Fußball, konkret auf Werder Bremen, aber auch aufs Kicken selber. Aber natürlich dreht sich auch in der Freizeit das meiste um Musik.
SC: Welches Projekt würdet ihr noch unbedingt realisieren?
Shon: Ich würde gerne mal eine Tour machen, bei der wir in jedem Herkunftsland unserer Bandmitglieder spielen, um jeden von uns und das Erbe, das wir in die Band einbringen, zu ehren ... Das bedeutet, das wir lange in Hannover sein werden, denn Flo und Lüder stammen von dort ... hehehehe
SC: Wann seid ihr auf Tour?
Flo: Wir planen gerade eine Tour für den Herbst. In Berlin werden wir am 28.11. im Badehaus zu sehen sein.
SC: Was macht euer Konzert zu einem besonderen Erlebnis?
Flo: Wir sind live und direkt, ab dem Moment, an dem wir die Bühne betreten. Wir alle haben großen Spaß daran, zusammen aufzutreten, und wir möchten, dass sich diese positive Energie auf das Publikum überträgt. Wir sind energisch, enthusiastisch und bereit, unser Publikum auf eine Reise mitzunehmen, wenn wir über Themen sprechen, die jeden von uns als Menschen betreffen.
SC: Wo seht ihr euch in 10 Jahren?
Flo: One foot in the grave ... ; )
Shon: On tour with the boys and holding Flo’s other foot.
Interview: JA
Foto: Herr Lindau