
13.06.2014 || Toni Mahoni hat für seinen Video-Blog den Grimme-Online Award verliehen bekommen, mit der Mahoni-Band zwei Alben aufgenommen, war Radiomoderator und ist Schriftsteller. Soeben ist sein neuer Roman "Alles wird gut - und zwar morgen" bei Galiani erschienen.
SC: Der Toni Mahoni aus deinen Romanen ist ein Lebemann und Gelegenheitsjobber, der arbeitet, wenn er gerade Geld braucht und es sich dann wieder gut gehen lässt. Machst du selbst das auch so?
TM: Ja klar, schon. Das Bild ist inzwischen nur etwas verschoben, weil man als Künstler ohnehin ja genau dieses Leben hat. Heißt: Mal reicht die Kohle, sogar nur die, die du mit deiner Kunst machst, und dann ist sie wieder weg. Dann musst du wieder einen Job machen. Manchmal ist es auch richtig gut, dann kannst du einen Monat fett Lebe machen. Natürlich verschieben sich die Dinge etwas mit dem Alter. Ich bin jetzt gerade Papa geworden und das verändert wirklich den Blick auf die Finanzen. Einfach, weil man nicht mehr nur für sich selber guckt, und denkt: Naja, Assi-Eltern müssen wir nicht unbedingt werden! (grinst) Nach dem Motto: Sorry, heute Abend gibt es jetzt mal wenig zu essen... Aber ich habe festgestellt, dass es auch mit Kind funktioniert. Ist natürlich auch das Prinzip Hoffnung, doch ich spare inzwischen jeden Monat einhundert Euro, und das nicht für mich. Immerhin.
SC: Ist es nicht auch unsinniges Denken, zu glauben ein Kind kostet so viel Geld?
TM: Ja klar. Man spart an der eigenen Bespaßung, man schafft es nicht so oft ins Kino und es verlagert sich. Ich glaube, es ist auch ein deutsches Phänomen, zu rechnen: Ein Kind kostet, wenn alles perfekt ist und dir niemand was schenkt, einhundertachtzigtausend Euro oder so. So viel Geld hätte ich ja garnicht. (lacht) Bisher kostet das Kind nicht so viel.
SC: Es muss irgendeinen Grund geben, warum sich die Leute hierzulande nicht vermehren, obwohl es uns im europäischen Vergleich recht gut geht.
TM: Es ist auch die Liebe. Du musst den richtigen Menschen treffen und bist so gewöhnt in allen Dingen Perfektionist zu sein, ohne dass du es vielleicht willst. Der Kaffee muss perfekt sein, das Essen, die Leute, mit denen du dich umgibst, die Arbeit und dann muss auch der Partner perfekt sein, bevor du dich durchringst und sagst: Ich will es jetzt bewusst. Das kommt dann eben erst spät. Ich bin ja auch schon alt für das erste Kind. Hab ich erst garnicht gemerkt. Plötzlich kommt das Kind und du denkst: Ich bin auch so ein alter Daddy, Scheiße.
SC: Deinen bürgerlichen Namen findet man nirgendwo.
TM: Schwer, ja.
SC: Toni Mahoni, reimt sich und klingt gut. Ist Carey Mahoney von Police Academy eine Inspiration?
TM: Klar, ich muss aber zugeben, dass das nicht meine Inspiration ist. Ich heiße ja wirklich Toni mit Vornamen, nicht Anton. Durch Toni bekommt man natürlich alle möglichen Spitznamen im Laufe der Zeit: Toni Makkaroni, Toni Tunrschuh usw.. Als dann Police Academy bei uns Kids groß war, war ich eben Toni Mahoni. Auch Faulheit spielt eine Rolle. Irgendwann habe ich auf einer CD gesagt, der Sänger hieße Toni Mahoni. Das hat sich dann etabliert. Als ich 2005 mit den Videoblogs anfing, habe ich mich weiter so genannt und eine Seite tonimahoni.com gebaut, ohne mir viel dabei zu denken. Plötzlich haben sich unerwartet viele Leute dafür interessiert und damit stand fest, dass ich von nun an Toni Mahoni bin. (lacht) Es war zu spät, um den Absprung zu schaffen. Meine Freunde nennen mich auch schon ewig Mahoni. Das ist einfach mein Spitzname.
SC: In deiner Literatur lässt du einen Protagonisten auftreten, der Toni Mahoni heißt. Philologen treibst du damit in den Wahnsinn. Wollen wir mal versuchen, die Ebenen von Fiktion und Realität zu trennen?
TM: Schwer. Man könnte das schon als fiktiven Lebenslauf betrachten. Es ist schwer zu unterscheiden, was stimmt und was nicht, weil ich auch einen unheimlichen Spaß habe, reale Geschichten einfließen zu lassen und reale Personen einzubauen, die dann völlig absurde Sachen machen oder Dinge sagen, die sie in der Realität nicht tuen oder sagen würden. Oder ich kehre alle Eigenschaften eines Menschen genau um, sodass man ihn als Negativ dennoch wiedererkennt. Und es macht Spaß, über Dinge zu schreiben, mit denen man sich auskennt. Es bleibt aber schwer. Ich denke selbst manchmal, dass ich Dinge erlebt habe, die garnicht so stattgefunden haben. (lacht)
SC: Kann man deine Kunst unter dem Aspekt betrachten: So hätte es sein können? Sozusagen Aussagen zur Realität im Konjunktiv?
TM: Klar. Genau, das trifft es.
SC: Auch am Ende deines Romans und in der Danksagung verwischst du die Ebenen von Realität und Fiktion. Ein Gedicht einer deiner Protagonistinnen hängt an, du bedankst dich beim Kultusministerium von Spanien. Dieses Spiel scheint dir Spaß zu machen. Eine klare Trennung von Realität und Fiktion scheint dir nicht wichtig.
TM: Ganz genau. Die Frage, Realität oder Fiktion, spielt überhaupt keine Geige. Mir macht dieses Spiel einfach Freude. Schelmisch zu sein, wie Produkte vertauschen im Supermarkt. Und was will man machen: Man kann mich nicht festnageln auf irgendetwas. Kann ja keiner sagen: Ich habe aber in deinem Buch gelesen, dass du das und das gemacht hast und jetzt kriegste eine Anzeige.
SC: Du würdest bestimmt einen Anwalt finden, der dich rausboxt.
TM: (lacht) Das würden wir bestimmt hinkriegen. Es ist einfach ein Genuss, aus gewissen wahren Anfängen eine Fiktion zu basteln, über die Realität hinauszugehen und Dinge zu verbinden.
SC: Wie fiktiv ist denn das reale Leben?
TM: (lacht) Wie? Meinst du, wieviel man sich einbildet?
SC: Nein. Wenn man sich entscheidet, in der Kunst die Grenzen von Realität und Fiktion aufzuheben, dann ist vielleicht denkbar, auch die Realität unter dem Blickwinkel Ihrer Fiktionalität zu betrachten. Ist das hier nicht vielleicht alles Fiktion?
TM: Da ist natürlich viel dran. Das sieht man schon allein daran, dass die Menschen in New York, die in einem ähnlichen Klima leben wie wir hier, nicht die Stirnfalten haben, die wir in Berlin hier alle haben. Und nicht diese Verbiesterte, das einen denken lässt, hier in der U-Bahn sind wieder lauter schlecht gelaunte Zombies unterwegs. Es gibt einen großen Unterschied in der Herangehensweise ans Leben. Heute scheint die Sonne, Berlin zeigt sich von seiner besten Seite, doch ist das nicht eine Frage der Einbildung? Man bildet sich die grundsätzlichen Dinge im Leben ein. Ich kann mir einbilden, dass in meinem Leben alles scheiße läuft. Und kann, auf der Basis derselben Fakten, denken: Anscheinend bin ich mal wieder der glücklichste Mensch mit meinem Leben. Für diese Einstellung kann man viel tuen, wenn man sie auch nicht von jemandem einfordern kann.
SC: Die Entscheidung: Ist das Glas halb vor oder halb leer.
TM: Genau. Und wenn ich nicht so viel Wasser habe, nehme ich mir ein kleineres Glas und fülle um. Schon ist das Glas fast voll.
SC: Dein Protagonist ist ein Lebemann und Gelegenheitsjobber. Ist bei dir im Leben diese Unstetigkeit auch zu finden?
TM: Ich habe lange Zeit sehr viele unterschiedliche Jobs gemacht. Jetzt habe ich das Glück, dass ich seit einiger Zeit bei einer Musiksoftware-Firma arbeiten kann. Da gehe ich zwei- bis dreimal die Woche hin und bin aus dem Gröbsten raus. Natürlich hadere ich auch manchmal und denke: Muss ich das jetzt machen? Aber Sohn und Frau sind schon sehr dafür. (lacht) Ich mach das jetzt schon recht lange und es hat sich bewährt. Früher wollte ich mich auch garnicht in solch einer Rolle sehen, es ist ein guter Kompromiss. Ich habe früher gern auf dem Bau gearbeitet und habe den Ausblick geliebt, wenn man wusste, ich bin jetzt sechs Wochen hier und dann wieder weg. Nicht zu wissen wo die nächste Baustelle sein wird, auf welcher Rüstung man kommende Woche steht. Das ist vielleicht ein wenig romantisiert, aber da ich schon immer ein romantischer Mensch war, mochte ich diesen Job auf dem Bau.
SC: Und er hat einen Anfang und ein Ende.
TM: Genau. Und du bist an der frischen Luft, du machst körperliche Arbeit, das ist alles super. Du hast dein Hirn danach noch, bist vielleicht schlapp, aber du hast noch deine Gedanken, die sind nicht verbrannt. Am liebsten mochte ich aber meine Sortierarbeit auf dem Schrotthof.
SC: Daraus spricht die Liebe zu Chaos und einem kleinen Paradies?
TM: Auf jeden Fall. Das war in Rummelsburg. Es gab Kabel- und Elektroschrott auf diesem großen Gelände. Die waren alle Säufer da und haben dich Bagger fahren lassen ohne Führerschein, denn es ist ja besser, wenn einer fährt, der nüchtern ist. Plötzlich hast du also einen Bagger und kannst aus Containern Kabelmuffen von A nach B tragen. Das war ein riesiger Spielplatz. Man konnte sich auf dem Gelände auch gut verpfeifen und mal die Seele baumeln lassen. Es gab einen weiten Blick und Unkraut - das war eine herrliche Zeit. Einer meiner schönsten Jobs. Klar war aber auch, dass ich das nicht ewig machen will. (lacht)
SC: Du hast in deinen Blogs immer wieder mal musiziert. Wie kam es zum Entschluss, eine Platte mit der Mahoni-Band aufzunehmen?
TM: Platten habe ich auch vorher schon mit anderen Bands aufgenommen. Da ich meine Musikerfreunde immer um mich herum habe, war der Schritt ein kleiner. Nachdem ich schon in den Videos alleine mit Gitarrre meine Liedchen mal recht mal schlecht gesungen und gespielt habe, haben wir beschlossen, dass wir diese Lieder mit Band spielen wollten. Das kam aus einer Laune und niemand hatte zunächst an eine Platte gedacht. Wir sind damit live aufgetreten und wurden nach Konzerten auf eine Platte angesprochen. Ich habe dann in kompletter Eigenregie eine Platte aufgenommen. Als diese fertig war, kam Warner Music Deutschland auf mich zu und wollte die Produktion bezahlen und das Album haben. Ich habe gesagt: Na gut, 20.000 Euro kostet das Alles und dann war das so. Das Geld habe ich großzügig an alle Beteiligten verteilt und die haben sich gefreut. Das war schön. Und ich hatte einen Plattenvertrag bei Warner. Ich habe mich super mit dem Chef verstanden, Axel, mit dem roten Halstuch. Alles war in Sack und Tüten und plötzlich habe ich aus der Zeitung erfahren, dass der Chef gegangen war. Ich hatte auf einen Schlag keine Lobby mehr bei Warner, da Axel das Projekt vorangetrieben hatte. Ich rief bei Warner an und bekam dann meinen Produktmanager ans Telefon. Das fand ich schlimm, dass ich plötzlich einen Produktmanager hatte! Ich habe schnell gemerkt: Hier musst du weg, die lassen dich versauern. Ich habe alle Hebel in Bewegung gesetzt und schließlich hatte Roofmusic Interesse. Die haben mich dann bei Warner rausgekauft. Bei Roofmusic habe ich die beiden Platten mit der Mahoni-Band rausgebracht. Zwar floss schon fleißg Geld hin und her, aber die Platte war noch garnicht produziert. Bis da hin gab es bloß meine fünfhundert Exemplare aus dem Eigenvertrieb. Bis Warner kam und sagte: Wir bringen die groß raus. (grinst) So richtig mit im Laden stehen...
SC: Lief es gut bei Roofmusic?
TM: Es lief vor allen Dingen gut, weil das Label auch eine unglaublich gute Bookingagentur hatte. Auf einen Schlag hatten wir sechzig Konzerte. Ich habe dort allen Leuten total vertraut, die fanden das Projekt super. Live haben wir unglaublich viele Platten verkauft.
SC: Hat sich deine Musik in den vier Jahren bis zum zweiten Album verändert?
TM: Sehr stark. Die Songs der ersten Platte waren Küchenlieder, sehr einfach und haudrauf. Wenn man will, waren das Kinderlieder für Erwachsene. "Kaffee trinkt doch jede Sau, ob im Büro oder auf'm Bau!" So das jeder denkt: Hallöchen! Na gut. An die zweite Platte sind war dann musikalischer rangegangen. Die Kompositionen sind ausgereift, es sind schöne Lieder dabei. Die Texte sind etwas melancholischer geworden, aber alles im Mahoni-Slang. Mahoni ist einfach älter geworden.
SC: Siehst du dich heute eher als Musiker oder als Schriftsteller? Oder bist du einfach Toni Mahoni?
TM: Das ist schwer. Ich sehe mich weder als Schriftsteller, noch als Musiker. Ich bin auch kein richtiger Musiker. Ich schreibe zwar Lieder, aber ich bin eher Sänger und Texter. Schriftsteller klingt für mich auch ein wenig hochgestochen. Ich habe inzwischen viele Schriftsteller kennen gelernt, und habe das Gefühl, dass die anders ticken. Wie ernst nimmt man sein Werk, wie intensiv bringt man sich ein? Das ist ein anderer Menschenschlag.
SC: Du leidest nicht beim Kunst produzieren?
TM: Ja, ich leide nicht so. Ich mache vieles aus einer Freude heraus. Es wird einem oft übel genommen, wenn es heißt, dem fliegt alles so zu. Das klingt dilettantisch. Aber ich könnte mich nicht als Schriftsteller bezeichnen. In meiner Steuererklärung steht aber jetzt drin, dass ich Autor bin. Passt ja auch. Ich hatte mich steuerlich jahrelang als "Propagandist" bezeichnet, aber das wurde mir übel genommen. Bei einem Finanzamtwechsel haben die sofort gesagt: Will der uns verarschen! Und ich hatte eine Betriebsprüfung am Hals. (lacht)
Um auf die Frage zurückzukommen: Wenn ich viel mit der Band auf Tour bin, fühle ich mich manchmal wie ein Musiker. Aber das verfliegt wieder. Mache ich wie derzeit viele Lesungen und stelle mein neues Buch vor, denke ich eher, ich bin Autor, aber das verfliegt auch wieder. Dann denke ich, ich bin ein ganz normaler Typ, der eine Falafel möchte.
SC: Wenn ich in all deiner Kunst - Videos, Musik, Literatur - nach einem roten Faden suche, dann ist der Eindruck: Du spielst mit dem Konflikt, der aus dem hohen Anspruch an Lebensqualität und -freude und mangelndem Arbeitsethos besteht.
TM: Ja.
SC: Ist das eine typische Berliner Mentalität, oder ein Berliner Klischee, das du verarbeitest oder betrifft das die grundsätzliche Ebene von Komik und Tragik im Leben.
TM: Es ist natürlich beides. Ich habe diese anspruchsvolle Haltung durchaus verinnerlicht. Ich spiele damit, habe diese Haltung quasi mit der Muttermilch aufgenommen. Meine Eltern haben die Haltung: Hier bin ick - und da ist der Staat. Und dann: Wat wolln die denn jetzt schon wieder von mir? Ick will eigentlich so...Man weiß also genau, was man will und muss das durch die Instanzen boxen - und spinnen die denn alle? Dazu packt man noch dieses Schnoddrige, Selbstbezügliche. Das ist auch in der Lage andere zu verstehen - aber weiß eben auch, wo man selbst steht. Wenn es dann bei den anderen besser läuft, fordert man das auch für sich ein. Das ist eine ganz einfache Weisheit, die daraus spricht. Ob das klassisch Berlinerisch ist, kann ich nicht beurteilen, weil ich aus Berlin komme.
Wenn ich an Köpenick denke, ist das ein Umfeld, wo es urberlinerisch zugeht und einfache Leute wohnen. Ich denke, die "Wir hier unten und die da oben"-Haltung habe ich dort aufgesogen und überspitze das in meiner Kunst gern. Man sagt das eine und tut das andere. Ist ja oft so. Man schlängelt sich durch, macht hier mal einen Kompromiss und haut dort doch wieder auf die Kacke...
SC: 2011 hast du mit Ahne die Show Royale bei Radioeins moderiert. Wie kam es dazu und warum gibt es das nicht mehr?
TM: Die Show wurde leider eingestellt. Die Show Royale war meine Lieblingssendung im Radio, seit ich klein war. Grissemann und Sternmann waren Helden meiner Jugend. Die Jungs habe ich schon immer geliebt und verehrt. Nach fünfzehn Jahren verständlich, begann die Show irgendwann etwas zu schleifen, ab und an vielen Sendungen aus oder wurden vorproduziert, weil die beiden keinen richtigen Bock mehr hatten, immer nach Berlin zu kommen. Radioeins hat dann jemanden gesucht, der die Show übernehmen kann. Es wurden Testläufe mit unterschiedlichen Teams gemacht. Ahne und ich haben in den Augen der Verantwortlichen am Besten funktioniert und so haben wir beide alle zwei Wochen im Wechsel mit Grissemann und Sternmann die Sendung moderiert. Das war eine spezielle Konstellation nach fünfzehn Jahren auf Sendung mit diesen Radio-Helden: Die beiden haben sich gern über unsere Sendung lustig gemacht und wir haben gesagt, die alten Herrn haben keine Ahnung...Die Sendung kam aber gut an und wir haben viel Lob bekommen. Dennoch war spürbar, dass wir ein Auslaufmodell abmoderieren. Es kam dann zu einem radikalen Wechsel als 2011 der Programmchef wechselte. Die Programmstruktur wurde stark verändert, es fand eine Anpassung an den Markt statt, es gab viel mehr Quiz und dergleichen, viele Dinge flogen raus. Show Royale flog auch raus. Sowohl Grissemann und Sternmann, als auch Toni Mahoni und Ahne waren plötzlich arbeitslos. Das war aber nicht schlimm. Ich hatte mit Ahne ja auch schon Sendungen auf einem Piratensender gemacht, und festgestellt, dass mir die Freiheiten, die wir dort hatten, viel Spaß bereitet haben. Bei Radioeins durften wir nicht unsere Musik spielen, diese wurde von der Musikredaktion vorgegeben. Es war manchmal ein Kampf um ein Lied, manche Dinge durfte man nicht sagen. Das war eben öffentlich-rechtlich. Ich hatte bei Radioeins schon meinen Spaß, aber ich konnte eben doch nicht sagen: Das ist genau mein Ding. Dieser Wermutstropfen hat den Abschied weniger schlimm gemacht.
SC: Kommt Radio für dich in Zukunft in Frage?
TM: Radio immer gerne. Ich könnte mir vorstellen auf FluxFM etwas zu machen. Mit denen verstehe ich mich gut, war schon oft da und wir haben ab und an mal über mögliche Sachen gequatscht. Da ich unstetig bin, müsste das ein loses Format sein. Ich hätte keinen Bock auf eine Wöchentliche Sendung. (lacht) So schöne Specials könnten wir produzieren. Da dürfen die mir gern etwas anbieten.
SC: In deinem Roman unternimmt dein Alter Ego eine wahre Oddyssee, um letztlich zu sich selbst zurückzufinden. Muss man sich verlieren um das wirklich Wichtige erkennen zu können?
TM: Auf jeden Fall. Wenn man an einem Punkt steht, an dem man das Chaos reinlassen könnte oder eine wacklige Ordnung aufrecht erhalten, ist es immer besser, sich ins volle Leben zu stürzen. Da ist wieder Fruchtbarkeit, da kann etwas Neues entstehen. Auf Ruinen kann man schlecht bauen. Wenn Glück zu Unglück wird sollte man schon sehen, dass man nicht an Allem festhält. Ich denke aber, das können nur wenige Leute.
SC: Es ist doch ein typisches Künstlerprinzip, aus dem Wechsel von "bau auf und stoß um" Energie zu schöpfen?
TM: Ja, klar. Aber das beizieht sich nicht nur auf Kunst, sondern gerade auch auf Liebesbeziehungen. Es gibt viele Leute die Angst haben, sich zu binden.
SC: Oder die sich nicht trauen, sich zu trennen?
TM: Ja, das ist genauso schlimm. Lieber in die Vollen gehen und leben. Wir haben ja auch nur dieses eine Leben.
SC: Wieviel Wahrheit steckt im Rausch?
TM: Alle Wahrheit steckt im Rausch. Genauso wie im Nicht-Rausch. Die große Frage ist: Wie ordne ich nach dem Rausch das Erlebte ein? Wenn du von was auch immer berauscht bist und im Rausch Dinge erfährst, die dir ohne den Rausch nicht möglich gewesen wären, dann musst du danach entscheiden, ob du diese Dinge mitnimmst - oder nicht ernst nehmen willst. Ich würde sagen, im Rausch liegen unglaubliche Erfahrungen für uns bereit. Wir sind doch hier in Berlin durch das Abwenden jeglicher Spiritualität angewiesen auf Rausch. Gerade die Protestanten sitzen doch in der Kirche und knabbern an den Fingernägeln. Ist doch gemein: Da hast du schon einen Glauben und kannst nicht feiern. Ich könnte mir schon vorstellen, dass ich irgendeinen Gott verehre, aber der müsste mir schon Party bieten. Oder sagen wir es so: Eine ganz trockene Spiritualität reizt nun garnicht. Ich glaube, dieses Suchen nach Rausch steckt in jedem Menschen. Auch sehr religiöse Menschen, die beispielsweise Drogen ablehnen, suchen nach Rausch in ihrer Spiritualität.
SC: Askese als umgekehrter Exzess?
TM: Meinetwegen. Oder Selbstgeißelung als Spaß und Freude.
SC: In deiner Prosa findet sich ein Grundvertrauen in Chaos. Kleine Ursachen haben gewaltige Wirkungen, durchdachte Pläne funktionieren garnicht. Welche Rolle spielt Chaos in deinem Leben und deiner Kunst?
TM: (überlegt lange) Tja. Ich glaube, ich bewerte Chaos so hoch, weil ich überzeugt bin, dass man nichts planen kann. Zum Beispiel: Man plant seinen Urlaub kommt wieder und kann sagen: Alles hat wie geplant geklappt. Das wäre für mich Horror. Ich wäre auch nicht in der Lage, so zu planen, selbst wenn ich es versuchen würde. Die Planung ist schon scheiße, scheitert bei mir immer an der Realität. Wenn man dieses Gefühl des Scheiterns eines Plans ein paar Mal mitbekommen hat, sobald Gefühl oder Rausch ins Spiel kommt, dann muss man Chaos akzeptieren. Man muss garnicht groß planen, geh dahin, wo dein Herz dich...blabla. Man kommt von selbst dahin, wo man hin will.
SC: Man lebt ja im Hier und Jetzt. Für Glück kann man maximal Bedingungen planen, unter denen man vermutlich glücklich sein dürfte. Aber diese Bedingungen sind ja nicht das Glück, denn dieses muss sich einstellen und ist letztlich größer als wir.
TM: Genau. Und dann haben wir eben keinen doppelten Boden. Und wenn wir, dann fallen wir. Aber dafür können wir unser Glück auch mit Liebe genießen.
SC: Wie lief die Recherche für dein Buch`?
TM: Ich schreibe ja ungern über Dinge, die ich nicht kenne. Deshalb habe ich tatsächlich alle Orte, die im Buch vorkommen, besucht. Ich bin tatsächlich in die Bresse gefahren und habe versucht ein lebendes Huhn zu bekommen. Um zu sehen, was passiert. Ich war in Polen, ich war in der Pfalz.
SC: Wie hast du das gemacht? Kanntest du überall Leute?
TM: In Polen habe ich mir den Spaß gemacht, den Geburtsort meines Opas rauszufinden. Mein Opa hat mir immer erzählt, dass er in Katznase geboren wurde. Also habe ich mich aufgemacht, nach diesem Ort zu suchen, der tatsächlich Kaczinos heißt. Ich habe ihn tatsächlich gefunden und die Erlebnisse, die ich dort hatte, verarbeitet. In der Pfalz kenne ich ein paar lustige Musiker, die auch so direkt im Buch vorkommen. Geld und Nelt. Die liebe ich einfach, dass sind zwei solche Wahnsinnschaoten! Die habe ich besucht und gesagt, dass ich weiterwollte in die Bresse. Die haben spontan gesagt, wir kommen mit. Wir hatten eine schöne Zeit. Und auf Malle war ich natürlich auch, das kann man ja auch mal machen.
SC: Klingt nicht nach staubtrockener Recherchearbeit.
TM: Nee, das wär mir auch nichts. Ich habe einmal Recherche in Hellersdorf gemacht, das hat mir gereicht. Das war zwar nur für ein Video, aber notwendig, dass ich mir ein Bild mache. Danach dachte: Wieso? Nee, muss ich nicht machen. Lieber über Orte schreiben, wo ich auch gern hin möchte.
SC: Es heißt manchmal, deine Kunst habe sich von der komischen zur tragischen Spielart gewandelt. Die Trennung von Humor und Tragik kann ich nicht ausmachen.
TM: Für mich gibt es keine Komik ohne Melancholie. Komik ergibt sich doch aus Melancholie. Das sind Gegensätze, aber der eine kann ja nicht ohne den anderen. Selbst wenn man reinen Klamauk betrachtet, möchte man den doch, um aufgeheitert zu werden, weil man das gerade braucht. Selbst beim Stand-Up ist es doch am lustigsten, wenn eine tragische Figur vorkommt. Ich sehe keine Unterschied, meine Kunst war schon immer tragisch-komisch. Auch wenn meine Geschichte tragisch anfängt und die Figur erst mal durch seinen Liebeskummer waten muss: Toni Mahoni nimmt ditt wie ditt und bleibt und bleibt er selbst. Und hält die Fahne hoch.
SC: Und auch wenn die Geschichte durch schlimme Dinge in Gang kommt, hat man doch ein Vertrauen darin, dass die Dinge die ihm wiederfahren gut sein werden.
TM: Würde ich auch sagen. (lacht)
Interview: Mirco Drewes
Foto: Mirco Drewes