
09.09.2020 || 1. Hallo Florian! Wie geht es Dir und wie ist es Dir die letzten Monate in diesem Ausnahmezustand ergangen?
Florian Künstler: Hallo! Ich muss schon sagen, dass die aktuelle Lage, gerade als Musiker, schon aufs Gemüt schlägt – weil man einfach im Unklaren ist, wie es weitergeht und wie lange man noch schwimmen muss, bevor man wieder Land sieht. Aber gleichzeitig bin ich gerade über jeden Gig dankbar und weiß, dass es andere noch viel schlimmer getroffen hat...
2. Kannst Du uns mehr über deine neue Single „Wie geht’s dir eigentlich?“ verraten?
FK: Ich hab‘ lange nicht gemerkt, wie sich die Frage einfach schon als Floskel in mein Leben eingeschlichen hat und zu oft zur reinen Höflichkeit geworden ist. Bis ich einen sehr guten Freund wiedergetroffen habe. Wir haben uns immer alles erzählt und ich hab‘ sofort gemerkt, dass irgendwas bei ihm los war und ihn dann gefragt: „Wie geht‘s dir eigentlich?“ Als er dann so dahin sagte: „Alles gut“, da war ich echt kurz enttäuscht und hab‘ dann gesagt: „Ey, wir kennen uns schon so lange und echt gut. Ich seh‘ doch, dass da was ist.“ Und dann ist er auch rausgebrochen mit seiner Story und wir haben intensiver als je zuvor gesprochen. Ich hab‘ mich einfach gefragt, wieso man einerseits diese Frage stellt, aber sich andrerseits gar nicht die Zeit nimmt für eine Antwort, die vielleicht mehr ist als „alles gut“. Oder wieso wir uns auch nicht mehr trauen, andere mit unseren Sorgen zu belasten. Ich finde, die Frage sollte ernster gemeint werden und vielleicht ist der Song ein kleiner Denkanstoß...Also für mich auf jeden Fall.
3. Das Video zu der Single ist ein gut dreiminütiger One-Shot, in dem du direkt in die Kamera guckst und singst. Dadurch bekommt dein Song meiner Meinung nach eine ganz eigene Intensität. Wie ist es zu der Entscheidung gekommen, das Musikvideo so zu drehen und wie war der Dreh für dich?
FK: Es sollte einfach ohne Umweg sein...direkt und ohne viel Schminke. Es sollte nur um die Frage gehen, um das Thema. Es war ein sehr intensiver Tag. Wir haben das Duett mit Madeline Juno und das One-Shot-Video an einem Tag gedreht. Beides war sehr emotional und deshalb war es auch gut. Manchmal war da schon ‘n kleiner Kloß im Hals...
4. Nach „Leise“ ist „Wie geht’s dir eigentlich?“ jetzt deine zweite veröffentlichte Single. Hast du Pläne, in naher Zukunft ein Album oder eine EP zu veröffentlichen?
FK: Ja und ich freu‘ mich so unglaublich doll! Ende September kommt meine erste EP raus und es ist irgendwie total unglaublich und soo schön, endlich alles öffentlich zu zeigen, woran man so lange getüftelt hat.
5. Du hast jahrelang neben der Musik noch im Schichtdienst gearbeitet, dich mit Straßenmusik und Auftritten auf Open-Mics und Poetry Slams über Wasser gehalten. Was hast du aus dieser Zeit gelernt?
FK: Diese Zeit war unglaublich prägend. Manche Tage für drei Songs nach Hamburg zu fahren und mit dem letzten Zug zurück, um um sechs in der Frühschicht zu arbeiten, war hart, aber ich musste es tun...weil ich es geliebt hab‘ und nichts anderes wollte. Ich wollte lieber singen. Straßenmusik war anfangs ‘ne Überwindung und bestimmt die ehrlichste und härteste Schule. Aber es lässt dich wachsen und gibt auch Selbstbewusstsein und auch ‘n paar Münzen, wenn man gerade mal wieder nix hatte.
6. Wie fühlt es sich an, jetzt bei Sony Music unter Vertrag zu sein und was bedeutet Erfolg für dich?
FK: Sony hat mich sehr herzlich empfangen und mir immer viel Ehrlichkeit und Feuer entgegengebracht. Man hört ja immer Geschichten, wenn es um Major Labels geht, aber bislang hab‘ ich ‘n tolles Bauchgefühl bei Sony und das ist mir sehr wichtig. Denn mit Bauchschmerzen irgendwo hingehen, das hatte ich zu oft…
Erfolg sind so viele kleine Stufen, die alle super wichtig sind und die hoffentlich alle Bedeutung haben. Und wenn ich später mal viele Konzerte spielen darf und jemand kommt und sagt: ,,Ey, deine Musik macht was mit mir“, dann wäre das Erfolg für mich. Und vielleicht nur dann die Musik...Das wäre toll.
7. Deine Kindheit war keine leichte, du hast in unterschiedlichen Pflegefamilien und Heimen gelebt. Was bedeutet „Zuhause“ für dich?
FK: Zuhause ist gar nicht so leicht zu erklären. Es fällt mir schwer, mich fallen zu lassen, vielleicht denk‘ ich, dass ich bald wieder gehen muss...Und vielleicht liebe ich es deshalb so sehr, unterwegs zu sein und schlafe nirgendwo besser als im Auto. Aber „Zuhause“ sind verschiedene Dinge. Vielleicht auch eher ein Gefühl. Ich glaub‘ schon, dass es dieses Dorf ist, wo ich so schöne Erfahrungen machen durfte, Freunde und vor allem Großeltern. Eigentlich machen diese Menschen das erst zu einem Zuhause und zu einem Wohlfühlort und triffst du neue Menschen, die dir auch so ein Gefühl geben, kann auch dort ein Zuhause sein.
8. Wo findest du Inspiration für deine Songs und Lyrics?
FK: Hmm…Manchmal fahr‘ ich irgendwo lang und sing so vor mich her…Und dann merk‘ ich, dass das, was ich gesungen hab‘ oder dass die Melodie irgendwas auslöst und dann fahr‘ ich rechts ran und halte es mit meinem Handy fest. Oft schau ich einen Film – ich würde sagen, ich bin Filmfreak – und es fällt ein Satz und der löst was aus. Dann mach‘ ich das Gleiche. Oder ein Gespräch von Fremden an der Kasse. Einzelne Sätze, zufällige Melodien – werden dann zu Songs.
9. Wird es dieses Jahr noch die Möglichkeit geben, dich live zu erleben?
FK: Ein paar kleine Gigs hier im Norden sind geplant und auf die freu ich mich sehr. Ich hatte eigentlich mehr geplant, aber aktuell ist es leider nicht möglich. Aber ich bin dankbar, dass überhaupt was geht!
10. Was passiert gerade sonst noch so in Florian Künstlers Welt?
FK: Momentan schreib‘ ich viel, schau mich nach Inspiration um und horch‘ in mich rein. Ich versuche, die Zeit zu nutzen und wir können produzieren und den ein oder anderen kleinen Videodreh umsetzen. Jetzt geht ja auch die Schule wieder los und da ich noch nebenbei als Schulbegleiter arbeite, fängt auch da der Alltag wieder an, auch wenn es sich mit den ganzen Maßnahmen manchmal verrückt anfühlt. Vielleicht noch kleine Reisen, kleine Auszeiten nehmen und dieses liebe Interview mit euch führen…
Interview: RW
Foto: Ben Wolf