
05.02.2015 || Ich treffe Sänger Eloi Youssef und Gitarrist Casper Starreveld vor ihrer Show im Magnet-Clubt backstage. Vor mir sitzen zwei sympathische, offene Jungs, denen ihr Erfolg im Heimatland nicht zu Kopf gestiegen ist. Die Show am Abend ist auf der Europa-Tour ihr erster Gig in Deutschland. Im Gepäck haben sie ihr neustes Album Rivals, das hierzulande am 13. Februar erscheint.
Stagecat: Seit wann seid ihr in Berlin?
Caspar: Seit heute Nachmittag. Wir waren aber schon oft hier. Es fühlt sich ein bisschen an wie nach Hause kommen. Unsere beiden Alben Rivals und Vultures haben wir hier in Berlin aufgenommen und kennen die Stadt schon ganz gut. Gerade haben wir unser Lieblingsessen vom Vietnamesen um die Ecke geholt. Es fühlt sich gut an wieder hier zu sein.
SC: Heute Abend ist die erste Show der Rivals-Tour, richtig?
Caspar: Die erste Show in Deutschland, ja.
SC: Wo wart ihr vorher?
Casper: Wir waren eine Woche in Polen, wo wir vier Gigs gespielt haben. Das hat echt Spaß gemacht. Wir waren das erste Mal in Polen, aber die Menschen haben uns und unsere Musik super aufgenommen. Die Shows waren zwar nicht ausverkauft, aber es war trotzdem ziemlich voll in den Clubs. Die Leute kannten unsere Songs und das Album hat sich bei iTunes super verkauft. Das ist schon ziemlich cool gewesen.
Danach sind wir für zwei Tage in Österreich gewesen, wo wir einen Gig für einen großen niederländischen Radiosender gespielt haben. Wir spielen nach einem Abstecher nach Prag einige Konzerte in Deutschland.
SC: Was erwartet ihr von der Tour und mit welchen Gefühlen blickt ihr ihr entgegen?
Eloi: Wir haben warme Gefühle. (lacht)
Casper: Ich glaube, es wird wirklich Spaß machen. Wir spielen eine Menge große Konzerte in unserem Heimatland momentan. Wenn wir zurückkommen, spielen wir in der Heiniken Music Hall, wo 6.000 Leute reinpassen und am Ende des Jahres spielen wir im Ziggo Dome, der 17.000 Leute fasst.
Hier in Deutschland und den anderen Ländern gehen wir „back to the Roots“ und spielen kleine Shows, laden die Instrumente selbst aus und ein und machen unseren eigenen Soundcheck. Also eigentlich so, wie es auch in den Niederlanden für uns angefangen hat. Es fühlt sich eigentlich gut an. Eben einfach und bescheiden.
SC: Spielt ihr lieber kleine oder große Shows?
Eloi: Es macht schon echt Spaß, die großen Shows zu spielen. Aber die Menge ist ziemlich weit weg. In kleinen, schwitzigen Clubs kann man auch echt viel Energie aus dem Publikum ziehen. Es ist eben persönlicher. Manchmal ist es echt gut dahin zurückzukommen. (überlegt) Da kommen wir her und wir mögen es, zu unseren Wurzeln zurückzukehren.
SC: Ihr seid viel unterwegs gewesen in der letzten Zeit. Wenn ich das richtig weiß, habt ihr letztes Jahr 65 Festivals gespielt…
Casper: Ja, im letzten Jahr haben wir wirklich viel gespielt. Aber wir lieben es einfach live aufzutreten. Es ist unsere Leidenschaft. Deshalb machen wir Musik. Und es ist das größte Kompliment, das wir bekommen können, wenn Leute zu unseren Shows kommen.
Wir versuchen immer das Beste zu geben. Manchmal ist das eine Herausforderung. Hier in Deutschland spielen wir wieder in kleinen Clubs wo für uns alles angefangen hat. Das ist erst mal komisch. Andererseits gibt uns das ein Gefühl zurück, das wir manchmal vermisst haben, wenn wir in den großen Hallen gespielt haben. Es ist schön, wenn man nicht wählen muss und beides haben kann.
Und wir wollen auch gar nicht berühmt werden in anderen Ländern. (beide lachen) Nein, nein – klar wäre es toll auch in anderen Ländern größere Shows zu spielen…
SC: Aber ihr habt doch auch schon in anderen Ländern wie Indonesien gespielt oder?
Eloi: Richtig.
Casper: Wir haben da auf dem „Java Rockin’land“ gespielt. Das ist ein riesiges Festival mit internationalen Headlinern. So wie "Rock am Ring" oder das "Pinkpop" hier in Europa. Das hat echt Spaß gemacht.
SC: Und fühlt es sich anders an, dort zu spielen?
Casper: Ja. Es ist echt super komisch gewesen. Das Publikum dort ist wirklich sehr höflich. Zwischen den Songs klatschen sie kurz, sind dann wieder ruhig und warten auf den nächsten Song.
Eloi: Das machen sie eigentlich bei fast allen Bands.
Casper: Ja, und wenn du groß bist und einen All-Access-Pass um den Hals hängen hast wollen sie auf jeden Fall ein Bild mit dir machen. Dann ist es egal, wer du eigentlich bist. Sie wollen einfach nur das Bild (lacht).
SC: Woher kommt der Bandname „Kensington“?
Eloi: Vielleicht sollten wir uns dieses Mal eine richtig gute Antwort auf diese Frage ausdenken…
Casper: Ja, wir denken uns da eigentlich immer Stories aus. Also (überlegt): Wir wollten alle Astronauten werden. Und Miles war Delphin-Trainer und da gab es einen Delphin mit dem Namen Kensington…(beide lachen)
Nein, nein. Ehrlich gesagt gibt es keine wirkliche Story dazu. Es sieht gut aus, klingt gut und fühlt sich gut an. Es ist einfach schon eine lange Zeit her, als wir uns den Namen überlegt haben.
SC: Wie war es Rivals aufzunehmen im Gegensatz zu Vultures, dem vorherigen Album?
Casper: Bei Rivals hatten wir einfach viel mehr Zeit, ohne Unterbrechungen. Das war wirklich gut für den Fokus. Zwei Monate haben wir im Studio hier in Berlin verbracht und hatten eine lange Zeit, um den Sound so hinzukriegen, wie wir ihn auch haben wollten. Wir waren nicht so gestresst und hatten eine ziemlich klare Vorstellung wie die Songs klingen sollten. Es ging einfach mehr darum einen Weg zu finden, dieses Ziel letztendlich auch zu erreichen. Es war auch das erste Mal, dass wir im Studio betrunken waren…
Eloi: Eigentlich die ganze Zeit. (alle lachen)
Casper: Bei Vultures oder Borders war es immer eine begrenzte Zeit, in der wir ein Album fertig kriegen mussten.
SC: Gibt es denn eine Geschichte zum Albumtitel?
Eloi: Ja. Da gibt es wirklich eine Geschichte. Endlich haben wir eine Geschichte zu einem Titel (lacht).
Es war ziemlich schwierig, die Lyrics zu diesem Album zu schreiben. Auf Vultures ging es um die Kämpfe, die man im Leben oder mit anderen Menschen hat. Dieses Mal lief im Leben alles gut. Ich hatte also die Möglichkeit mir Dinge auszudenken oder über das Tourleben zu schreiben, was ich persönlich allerdings gar nicht mag. Ich habe also das Prinzip von Vultures, man hat zum Beispiel Probleme in seiner Beziehung, dann schreibt man einen Song drüber und beendet damit ein Kapitel, auf mich selbst angewendet. Es ist also dieses Mal eher eine Introspektive. Es geht um die Gegensätze, die man in sich trägt und die manchmal in Rivalität zueinander stehen.
SC: Wie würdet ihr eure Musik beschreiben?
Casper: Im Grunde genommen sind wir eine Rockband mit den typischen Instrumenten. Gitarre, Schlagzeug, Bass. Wir mögen es laut zu spielen und halten uns dabei nicht zurück oder so. Außerdem stehen wir auf große, epische Choruses, bei denen man mitsingen kann, wenn man will. Viel reverb, tighte beats, das ist unser Ding. Wir haben keinen Plan für einen Song, sondern lassen es einfach kommen. Wir jammen zusammen und sehen was passiert. Es geht um das Zusammenspiel unserer vier Persönlichkeiten. Wir versuchen nichts zu erzwingen.
SC: Und schreibt ihr erst die Lyrics oder ist die Musik zuerst da?
Casper: Zuerst kommt die Musik.
Eloi: Ich beginne Nonsens zu singen. Und dann versuche ich Worte zu finden, die zu dem Nonsens passen. Das ist oft ziemlich schwer. Für mich sogar der schwerste Teil, Worte zu finden, die zu dem Nonsens passen.
SC: Mit Vultures hattet ihr euren Durchbruch. Aber euer vorheriges Album Borders war auch schon erfolgreich. Es wurde sogar in Kanada, den USA und Indonesien veröffentlicht.
Eloi: Man muss sich das Ganze als „Leiter“ vorstellen. Borders war sozusagen der erste Schritt und Vultures war der große nächste. Rivals war – zumindest in den Niederlanden – dann sowas wie unsere „Konfirmation“.
SC: Seht ihr Vorteile darin, Stück für Stück erfolgreich zu werden, anstatt über Nacht berühmt zu sein?
Beide: Ja, auf jeden Fall.
Eloi: Wenn du am Anfang bist, denkst du: „Oh man das nervt, ich möchte jetzt schon erfolgreich sein“, aber am Ende bist du wirklich dankbar für die Zeit, die du hattest, um zu lernen deine Musik wirklich richtig und ordentlich zu machen.
Casper: Wenn du anfängst, denkst du, dass du schon alles drauf hast und sofort loslegen kannst. Du fragst dich: „warum sind wir noch nicht da, wo wir hin wollen?“ Aus der Retrospektive ist es besser, dass wir damals noch nicht da waren, wo wir hin wollten. Denn wir wissen erst jetzt genau was wir tun. Früher wussten wir einfach noch nicht Bescheid.
SC: Ein bisschen wie erwachsen werden…
Eloi: Ja, genau.
Casper: Ich vergleiche das oft mit Freunden, die an der Uni studieren. Die sind da 5 oder 6 Jahre, um etwas zu lernen. Dasselbe haben wir innerhalb der Band durch. Wir mussten auch lernen, was es heißt in einer Band zu sein. Und wir hoffen, dass wir bald den Abschluss machen können (lacht).
Eloi: Ach komm, den haben wir schon gemacht.
Casper: Im Rest von Europa müssen wir wieder mit dem Einführungsjahr beginnen. In Holland haben wir den Abschluss schon gemacht (lacht).
SC: Ich gehe mal davon aus, dass es viele Leute gab, die euch Steine in den Weg legen wollten. Leute, die prophezeit haben, dass ihr es nicht schaffen werdet mit eurer Musik oder die gute Tipps geben wollten, dass es anders besser geht. Stimmt das?
Eloi: Ja. Allerdings war das ein Grund, weshalb wir unbedingt weiter machen wollten. Auf Rivals sind sogar einige Songs, die genau darauf basieren. Es geht um Leute die einem sagen, dass man es nicht schafft oder etwas nicht klappt, wie man sich das vorstellt und dass man seinen Traum loslassen soll und sich einen normalen Job suchen soll. „Streets“ zum Beispiel, handelt genau davon. Es geht darin um den Moment in dem du sagst: „Und ich schaffe es doch und mache weiter“.
SC: Also ist es eigentlich gut, dass Leute da sind, die einem Steine in den Weg legen?
Eloi: Ich glaube, das ist die beste Motivation.
Casper: Weiterzumachen, wenn jemand sagt: "Du schaffst es nicht!", ist auch das beste Statement, das du geben kannst, denke ich.
SC: Hat sich durch euren Erfolg vor allem in den Niederlanden und Belgien etwas für euch verändert?
Casper: Die lange Zeit, die es gebraucht hat bis wir da waren, wo wir jetzt sind, hat uns davor bewahrt, uns durch den Erfolg wirklich zu verändern. Wir haben ein Motto. Es ist eigentlich sehr einfach: Sei kein Arschloch, zu niemandem. Das heißt nicht, dass wir nicht kritisch sind, aber wir sind einfach sehr dankbar für all das, was wir bis jetzt schon erreichen durften.
SC: Was ist das Wichtigste, das ihr in den letzten Jahren gelernt habt?
Eloi: Trink nicht in der Sonne. (lacht)
Casper: Das habe ich eigentlich bis heute nicht gelernt. (lacht)
Eloi: Josh Homme von Queens of the Stone Age hat das mal gesagt…
Casper: Iss nicht den gelben Schnee. (beide lachen)
Ich weiß nicht. Vielleicht dass, wenn du zu deiner Leidenschaft stehst, du nichts falsch machen kannst – ob du nun erfolgreich bist oder nicht. Ich glaube Intuition ist das Wichtigste. Als wir angefangen haben, haben wir zu viel darüber nachgedacht, wie wir etwas machen und was die Leute davon halten würden. Mittlerweile haben wir gelernt, dass es, wenn wir vier etwas gut finden und wenn es sich für jeden von uns gut anfühlt, gut ist.
Eloi: Wir sind wie ein Filter. Wenn es durch uns vier durch geht, ist es gut für uns.
SC: Ihr kennt euch auch schon eine lange Zeit, richtig?
Casper: Ja. Trotzdem sind wir ziemlich unterschiedliche Jungs. Deshalb haben wir auch vier verschiedene Sichtweisen auf die Dinge. Bis jetzt sind wir damit ganz gut gefahren.
SC: Danke für eure Zeit und eine gute Tour.
Termine
05.02.2015 München, Backstage
06.02.2015 Nürnberg, Club Stereo
07.02.2015 Leipzig, Werk 2
Interview: Lotta Lewis
Foto: Rutger van der Band