
18.03.2013 || StageCat: Sehr geehrte Frau Flechsig, seit 2011 existiert Ihr junger Verlag Glückschuh. Worin bestand und besteht ihre Motivation zu dieser Unternehmung?
Dorothea Flechsig: Mit Auftragsarbeiten als freie Autorin habe ich zuvor zwiespältige Erfahrung gemacht. Einerseits bedeutet Auftragsarbeit mehr Sicherheit, andererseits wurde ich teils schlecht bezahlt und habe schäbige Verträge unterschrieben. Zudem schreibt man eben immer im Auftrag und muss bestimmten Leitlinien folgen. Vor zwei Jahren überlegte ich, wie ich meine Interessen, Leidenschaften und Fähigkeiten am besten einsetzen kann. Ich entschied mich dafür, ein Wagnis einzugehen und meine eigenen Figuren lebendig werden zu lassen. Ich habe einen eigenen Verlag gegründet, um unabhängig Bücher und Hörbücher so gestalten zu können, wie es mir gefällt. Das macht mich glücklich.
SC: Sie sind nicht nur Verlegerin, sondern auch Autorin. Worin bestehen die Vorteile der Unabhängigkeit?
DF: Einen unabhängigen Verlag zu leiten bedeutet viel Arbeit und Engagement. Leider fehlt diese Zeit zum Schreiben. Ich muss mir viele Kontakte erst suchen, Vertrauen erarbeiten und Partner überzeugen. Das nimmt Zeit in Anspruch. Selbst sein eigener Chef zu sein und sich immer wieder selber zu motivieren, ist eine Herausforderung. Ich lerne jeden Tag neu dazu. Es ist und bleibt ein Risiko, aber alles liegt in meiner Hand. Ich entscheide, wie, wann, mit wem und wo es weitergeht. Man könnte den Einwand bringen, dass ich als Autorin und Verlegerin nicht distanziert genug auf meine Geschichten blicke. Doch hierfür habe ich kritische Lektoren mit denen ich mich bespreche. Ich habe zudem liebe und kompetente Partner im Bereich Grafik, Hörbuchproduktion und Marketing, die mich unterstützen. Ich bin also nicht allein und habe immer viel Austausch.
SC: In Ihren Geschichten geht es stets um ein enges Miteinander von Mensch und Tier. Sie erzählen davon anhand magischer Figuren, wie der sprechenden Fledermaus Sandor, oder realistisch, wie in der Reihe Petronella Glückschuh. Welche Rolle spielt die Natur, der Umgang mit Tieren, für die Entwicklung von Kindern?
DF: Bei der Frage muss ich schmunzeln. Ich schreibe gerade am dritten Teil von „Sandor“ und da wird diese Frage auch gestellt. Eine Figur, der Kinderpsychologe Hans Belz, erklärt im Buch, warum Haustiere Kindern gut tun. Da gibt es eine ganze Liste an wissenschaftlichen Untersuchungen. So ist es zum Beispiel erwiesen, dass Kinder, die mit einem Hund aufwachsen, mehr Zeit an der frischen Luft verbringen. Allein dies ist schon toll. Da aber nicht alle Kinder ein Haustier haben dürfen oder können, schenke ich ihnen Sandor. Oder sie können sich wie die kleine Petronella mit Tieren aus ihrer nächsten Umgebung, z.B. Schnecken und Würmern anfreunden und sie kennenlernen und untersuchen.
SC: Es fällt auf, dass die Titelfigur der Reihe Petronella denselben Namen trägt, wie der Verlag: Glückschuh. Inwiefern ist dieses abenteuerlustige Mädchen sinngebend für Ihr Programm? Fließen persönliche Erfahrungen in diese Figur ein?
DF: Petronella war mein erstes Buch im eigenen Verlag. Viele ihrer Erlebnisse basieren auf wahren Begebenheiten aus meiner eigenen Kindheit. Ich hatte mir als Kind im Gartenhaus ein Forschungslabor eingerichtet und viele kleine Tiere beobachtet und untersucht. Kellerasseln, Würmer, Ohrenkneifer. Petronella ist ein optimistisches und lebensfröhliches Mädchen, das sich für die Natur interessiert. Im Verlag erscheinen nur Bücher, die ohne erhobenen Zeigefinger dieses Interesse zeigen und unterstützen. Ich versuche mit den Büchern aus meinem Verlag in diesem Sinne gut zu unterhalten. Aktuell bereiten wir ein größeres Petronella-Projekt in Zusammenarbeit mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) vor. In dieser Partnerschaft fühlen wir uns ganz richtig aufgehoben.
SC: Sie selbst engagieren sich in der umweltpädagogischen Arbeit mit Grundschulkindern. Fällt es heute schwer, Kinder für die Natur zu begeistern? Welche Erfahrungen machen Sie in der Arbeit mit Kindern?
DF: Es fällt überhaupt nicht schwer, Kinder für die Natur zu begeistern. Ich bin oft überrascht, wie viel kleine Kinder schon wissen, auch von traurigen Entwicklungen unserer Zeit. Aus den Medien wissen Kinder viel über Umweltverschmutzung oder bedrohte Tierarten. Mir ist es wichtig, dass Kinder zudem eigene Erfahrungen sammeln und über das eigene Erleben verstehen lernen. Ich freue mich, wenn ich ihnen einen Anreiz geben kann, selbst die Welt zu erkunden.
SC: Mit Ihrer kleinen Filmproduktion HappyKreativ setzen Sie preisgekrönte Umweltfilmprojekte um, die Sie gemeinsam mit Kindern erarbeiten. Wie gestaltet sich die kreative Zusammenarbeit mit Kindern?
DF: Mit Happykreativ gehen wir an Schulen und Bildungseinrichtungen. Wir schreiben Drehbücher mit Kindern zu Themen, die Kinder beschäftigen. Wir leiten sie an und sortieren ihre Ideen, so dass daraus ein spannendes und humorvolles Drehbuch für einen Film entstehen kann. Ein Film entsteht nicht wie eine Geschichte am Schreibtisch, sondern ist immer eine dynamische Gruppenarbeit.
SC: Zu guter Letzt: Unseren Lesern bescheren Sie zu Ostern drei Hörbücher von Petronella Glückschuh – Naturforschergeschichten. Wie sieht Ihr Ostern aus?
DF: Ich besuche Freunde, meine Familie und werde mit meinen Neffen und meiner Nichte Osternester im Garten suchen.
Interview: Mirco Drewes