
22.08.2023 || Am 04. August 2023 erschien die neue EP Kingdom der Cellistin und Singer-Songwriterin RABEA via Independent. Die aus Hannover stammende Musikerin kommt auf diesem Mini-Album völlig ohne Band aus – allein mit elektrischem Cello, Gesang und Loopstation erschafft sie sphärische Traumwelten mit vielschichtigen Klangteppichen, ausdrucksvollen Streicher-Arrangements und transparenter Stimme. RABEAs melodischer Alternative Pop verarbeitet stets Elemente aus der klassischen Musik. Besonders in ihrer Lead-Single „Rest in Peace“ vereint sie auf wundersame Weise klassisches Cellospiel und die synthetische Soundentwicklung des Elektro-Pop. Ihre Lyrics handeln von feministischer Befreiung und der Überwindung innerer Widerstände. Ein gelungener Auftakt für ihre nächste Deutschland-Tour im September!
Über Genregrenzen hinaus: Die Magie von musikalischen Klängen
Starke musikalische Kontraste sind RABEAs Markenzeichen. Die studierte Cellistin kommt ursprünglich aus der Klassik und verarbeitet diesen Einfluss in ihrer Popmusik auf ihre ganz eigene Weise. In Kingdom betrifft das vor allem die musikalische Klangerzeugung, die ja in beiden Musikgenres grundverschieden ist: Wo ein klassisches Cello mit echtem Klangkörper auf die Magie der akustischen Resonanz setzt, wird im Elektro-Pop mit künstlichen, synthetischen Sounds experimentiert. Genau hier aber findet RABEA Gemeinsamkeiten: Das Legato und Pizzicato ihres Cellospiels fügt sich wie eine weitere Schicht in den Klangteppich der Loopstation ein. Der Titelsong des Mini-Albums, „Kingdom“, ist melodisch eingängig und besticht durch den transparenten, samtweichen Gesang mehrerer ihrer Stimmaufnahmen.
Als Musikinstrument hat das Cello einen von Natur aus sanften, tiefen Klang, der gut zum unaufgeregten Musikgenre des Alt-Pop passt. RABEA selbst beschreibt den natürlichen Klang des Cellos als lyrisch und melancholisch. Gerade dieser Eindruck ist ein Zugewinn für die sphärische Stimmung des Songs, der an Träumereien erinnert. In „Rest in Peace“ dagegen wird das klassische Tremolo konfrontiert mit unerwarteten Disharmonien und dem kratzigen Klang einer leeren Cellosaite, der sogar echte Leiertöne erschafft. In der Klassik wären solche Experimente ein No-Go – RABEA pfeift aber auf die starren Regeln der klassischen Musik, lieber bewahrt sie ihre Unabhängigkeit und Kreativität.
Das Cello und die Macht der Frauen
Wie sehr gesellschaftliche Regeln auch das Verhältnis zwischen dem Cello und der Frau beeinflusst haben, zeigt ein Blick in die Musikgeschichte Europas. Jahrhundertelang galt es als verpönt, wenn Frauen und Mädchen ihre Beine auseinandernahmen, um dieses Instrument spielen zu können – und sieht das große Holzstück nicht (mit einer Menge Fantasie) auf unschickliche Weise aus wie ein Männerkörper…? Männliche Künstler liebten es hingegen, ästhetisch handgefertigte Streichinstrumente mit Frauenkörpern und deren prototypischer „Sanduhrform“ gleichzusetzen. Man Rays surrealistische Fotografie Le Violon d’Ingres ist das berühmteste Beispiel.
Heutzutage ist aber auch das elektrische Cello schon lange keine Männerdomäne mehr. Auf ihre Vorbilder angesprochen, sieht sich RABEA etwa in der Tradition der vielseitigen Solokünstlerin Marie Spaemann. Spätestens seit dem musikalischen Theme aus dem Kinofilm Wonder Woman wird das elektrische Cello sogar mit Empowerment und Feminismus assoziiert: Die Filmmusik von Hans Zimmer nahm die konventionelle feminine Eleganz des Instruments als Ausgangspunkt und erschuf gleichzeitig eine kulturell neue Form der weiblichen Angriffslust, mit der das Cello die dissonanten Harmonien nahezu „schreddert“.
Diese neuartige Bedeutung des Cellos passt zu den Lyrics von RABEAs Kingdom: Häufig handeln die Songs davon, wie sich das lyrische Ich aus einer zwischenmenschlichen Beziehung befreit, die durch die irrationalen Ängste einer anderen Person zerstört wurde – oder vielleicht von einer anderen Seite in sich selbst? Rest in peace, my friend, I’m backing out of your command! Here’s to you, here’s to me, here’s to our friendship’s end! Es geht letztendlich darum, dass Frauen sich von gesellschaftlichen Konventionen befreien und sich auf eine Heldinnenreise zu ihrem wahren Ich begeben – eine emotionale Entwicklung von Verletzlichkeit zu Unzerbrechlichkeit. Und in „Kingdom“ geht es wohl auch tatsächlich darum, sich sein eigenes Königreich zurückzuholen – von einem Neurotiker, der es in den Abgrund wirtschaftet: Can you breathe the air I'm breathing? Can you feel the breeze? It's fleeting. Can you see what I am seeing? Eine feministische Utopie, die an Auroras „Queendom“ erinnert. RABEA jedenfalls ist dabei, sich zur Königin des elektrischen Cellos in Deutschland emporzuschwingen.
Über die Solistin:
RABEA (geboren 1990) ist eine Cellistin, Singer-Songwriterin und Co-Produzentin. Sie studierte Violoncello und Lehramt an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH), bevor sie sich im Popkurs Hamburg dem Musikgenre Alternative Pop zuwandte und anfing, ihre eigenen Songs zu schreiben. Im Jahr 2019 erschien ihre Debüt-EP Ask For The Moon. Seitdem hatte sie zahlreiche Auftritte, unter anderem bei radioeins und Deutschlandfunk Kultur. Ihre aktuelle EP Kingdom erschien im August 2023 via Independent.
Text: PB
Label: popup-records