
11.09.2018 || Mersija fürchtet in ihrem Leben vor allem eines: So zu enden wie ihr Vater Ahmed, arm und verrückt. Ein Mann, der gegen seine Familie wütet und von Frau und Kindern verachtet. 1969 setzt sich Mersija als junge Frau in ihrer Heimatstadt Brcko in den Zug und fährt nach Deutschland. Sie heiratet Muso, einen aus Jugoslawien immigrierten Moslem wie sie, und bekommt einen Sohn, Adem. Adem ist es, der seinen Eltern vorhält, dass er kein Ausländer sei wie sie, sondern Deutscher. Die Generation von Mersija und Muso hingegen verharrt immer auf der Schwelle zur deutschen Gesellschaft. Sie kommen aus einer Welt mit eigenen Gesetzen und eigener Moral und gelten für die Deutschen auch nach Jahren noch als Fremde. Aber auch der Weg zurück ist versperrt, denn das Land, aus dem Mersija und Muso damals aufgebrochen sind, existiert nicht mehr. So wie der Zweite Weltkrieg das Leben von Mersijas Vater verwüstet hat, so raubt der Zerfall Jugoslawiens endgültig Mersijas Heimat.
Der längst überfällige Blick in die Vergangenheit
Flucht und Migration haben Deutschland in den letzten Jahren von Grund auf verändert und das Land polarisiert. Doch unsere Gesellschaft sieht sich nicht zum ersten Mal mit dieser Problematik konfrontiert. Bereits in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren erlebte Deutschland die Immigration von Gastarbeitern aus Ländern wie Italien, der Türkei und dem damaligen Jugoslawien, die die deutsche Gesellschaft gehörig durcheinanderwirbelten, oft aber auch zunächst auf eine Mauer der Ablehnung stießen. Zu ihnen zählen auch die Protagonisten aus Gegen die Träume.
Ein Panorama europäischer Geschichte
In Sead Husic Debütroman ringen drei Generationen um ihr Glück, um ihr Leben und um ihre Träume. Der Zweite Weltkrieg hinterlässt tiefe Narben in Ahmeds Leben und vor Mersijas Augen beginnt das Jugoslawien Titos zu zerfallen ein Zusammenbruch, der sie im Nirgendwo zurücklässt, zwischen den Welten, heimatlos. Während sie selbst in Deutschland immer fremd bleibt, kämpft ihr Sohn Adem darum, als Deutscher anerkannt zu werden. Und so ist Gegen die Träume ein lebenskluger Roman über Flucht und Migration, der die Schicksale seiner Figuren zu einem dichten Teppich aus Erinnerungen, Eindrücken und Hoffnungen verwebt.
Über den Autor:
Sead Husic, geboren 1974 in Traunstein, promovierte in Politikwissenschaften und schrieb für Tageszeitungen u.a. aus dem ehemaligen Jugoslawien und seiner Nachfolgestaaten. Er volontierte bei der Financial Times Deutschland und war Inlandsredakteur beim Freitag. Er arbeitet heute als Texter für die Kreativ-Agentur Römer Wildberger und als freier Fotograf. Gegen die Träume ist sein Debütroman.
Gegen die Träume von Sead Husic erscheint am 17. September im Parlez Verlag.
Text: AK