
19.03.2015 || Eben war das Leben von Arne Jakobsen noch geordnet, vorhersehbar. Als Kleinstadtpolizist im norwegischen Skjervoj ist sein Arbeitsalltag von wenig Aufregung gekennzeichnet. Jakobsen ist eher Ordnungshüter als Kriminalist. Während die gefürchteten Winterstürme durch die Nacht toben, hält Jakobsen normalerweise Bettruhe. Doch als in jener Nacht die MS Midnastol aus Trömso kommend in den Hafen einläuft, ist es mit seinem überschaubaren Alltag vorbei. Das Schiff der Hurtigruten, unterwegs auf der traditionellen der Linie Postschiffe, hat eine besondere Fracht an Bord: Einen toten deutschen Touristen.
Auf dem Totenschiff zum Nordkap
Jakobsen soll an Bord des Schiffes die Ermittlungen aufnehmen. Die Kriminalpolizei kommt aufgrund der Wetterlage nicht Skjervoj durch. Jakobsen weigert sich zunächst, doch die Kollegen versichern dem Dorfsheriff, dass es sich nach Lage der Dinge aller Wahrscheinlichkeit nach um einen Selbstmord handelt. Mit der Absicht, einige Zeugenaussagen für die Akten zu sammeln geht Jakobsen widerwillig an Bord. Spätestens in Honningsvag will er von Bord.
Doch nach kurzer Zeit ringt ein weiterer Passagier um sein Leben. Jakobsen dämmert, dass es sich bei seinem Fall mitnichten um einen Suizid gehandelt hat. Diese Nummer ist eindeutig zu groß für ihn! Doch es ist zu spät. Das Schiff mit Jakobsen und dem Mörder an Bord schlingert unaufhaltsam durch die stürmische See. Während Jakobsen ermittelt und die MS Midnastol das Nordkap passiert, machen sich unbemerkt Beamte des BKA, des russischen und amerikanischen Geheimdienstes auf den Weg nach Kirkenes an der russischen Grenze, dem nördlichen Wendepunkt der Hurtigruten. Es droht ein Showdown unbekannten Ausmaßes.
Atmosphärischer Krimi im Nordlicht
Der Bayer Rainer Doh, im Brotberuf Autor von IT-Fachbüchern, wagt sich in seinem Kriminal-Debüt an die nördlichsten Außenposten Europas. Was als klassische Moritat beginnt und sich zu einem klaustrophobischen Thriller an Bord eines Schiffes in der stürmischen See Nordnorwegens auswächst, mündet schließlich in einem waschechten Agenten-Drama.
Doh weiß, wovon er erzählt. Der Autor ist selbst mehrfach mit der Hurtigruten an Europas nördliche Peripherie gereist. Meisterhaft entwirft er eine Atmosphäre der Angst und Enge an einem Tatort, der schwankend und unaufhaltsam über das Meer gleitet. An Bord dieses Schiffes gelten andere Gesetze, Jakobsen und mit ihm der Leser muss Grenzen überschreiten, um nicht unterzugehen. Mordkap ist das atmosphärisch dichte Krimi-Debüt eines Autors, von dem man noch viel hören dürfte. Ein atemloser Roman, düster und mörderisch. In bester skandinavischer Krimi-Tradition, doch Made in Germany.
Text: Mirco Drewes
Foto: Divan Verlag