
12.10.2017 || Anna hat eine grüne Kunstlederjacke, ein Faible für Pariser Programmkinos und Filme aus kühlen Ländern. Und sie hat ein Problem: Sie lebt zu sehr in der Vergangenheit. Seit ihr Vater in eine Gletscherspalte gefallen und einfach aus ihrem Leben verschwunden ist, bildet sie sich ein: Sobald sie jemanden liebt, wird dieser vom Erdboden verschluckt. Genau wie ihr Vater.
Keine Hoffnung ist übertrieben, so unvernünftig sie auch scheinen mag
Dann kommt es zu einer schicksalsträchtigen Begegnung mit Pedro, einem katholischen Slumpfarrer und politischem Flüchtling aus Kolumbien, wo seine umstürzlerischen Ideen nicht gerne gesehen werden. Doch das wird nicht sein einziges Problem bleiben: Er verliebt sich in Anna.
Die beiden begegnen sich in Paris, und bevor sie sich endlich lieben dürfen, müssen sie erst lange durch den Pariser Dauerregen spazieren und eine ganze Liste von Rätseln lösen: Welchen Sinn hat ein Keuschheitsgelübde? Warum verdient ein Manager hundertfünfzig Mal mehr als eine Krankenschwester? Warum werden in Kolumbien Sozialarbeiter umgebracht? Warum macht Liebe Angst?
Grenzüberschreitungen der besonderen Art
Ein Blick nach Frankreich, das oftmals gesellschaftliche Entwicklungen vorweggenommen hat, hat sich bekanntlich schon immer gelohnt. Und auch in Nur ein Wort - Seulement une parole gelingt es Christina Talberg auf einfühlsame und ironische Weise von Tabus und Redeverbot zu erzählen. Mit dem nötigen Augenzwinkern und einer gewissen Nonchalance lesen wir über das Risiko, der Liebe wegen auf den Regenschirm zu verzichten, der Chance, den grauen Pariser Regen in glitzernde, schillernde Perlenschnüre zu verwandeln und verfallen einer einer außerordentlichen Beziehungsgeschichte, die in einem so wunderbar absurd-lakonischen Stil geschrieben wurde, der seinesgleichen sucht.
Über die Autorin
Christine Siebert (veröffentlicht unter offenem Pseudonym), geboren 1966, lebt und arbeitet in Paris. Als Abiturientin hat sie den Scheffelpreis der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe erhalten, hat dann in Paris Literatur und Sprachen und in Essen Literaturvermittlung und Medienpraxis studiert. Sie arbeitet als Journalistin bei Radio France Internationale (RFI), wo sie regelmäßig Debatten über den deutsch-französischen Literaturaustausch moderiert. Ihre Reportagen verhandeln oftmals Kultur und Gesellschaft in Frankreich, nehmen sich Obdachlosen, verfolgten Menschenrechtskämpfern und engagierten Kritikern der Wachstumsideologie an.
Nur ein Wort - Seulement une parole erscheint am 10. Oktober im ProTalk Verlag.
Text: Alexander Krug