19.12.2023 || Die französische Sängerin Poppy Fusée ist dabei, in ihrer Solokarriere ganz hoch aufzusteigen. Nach der Auflösung ihres Duos Part-Time Friends und ihrer erfolgreichen Debüt-EP La Lune wird nun ihr Debütalbum Better Place am 19.01.2024 (via Un Plan Simple) veröffentlicht. Zuvor erschienen in diesem Jahr ihre Single-Auskopplungen „Better Place“ und „Empty“, deren Lyrics von Abschied, innerer Leere und dem Mut zum Neuanfang handeln. Die neuen Songs sind eine Mischung aus Douce Pop, Indie-Rock und amerikanischem Sunshine Pop – sanft und melancholisch, mit eingängigen Melodien, verträumten Synths und transparentem Gesang. Am 21. Dezember 2023 erscheint ihre dritte und letzte Single „For Better and For Worse“.
Solokarriere nach Part-Time Friends: Harmonische Höhen und Tiefen
Poppy Fusée, die mit bürgerlichem Namen Pauline Lopez de Avora heißt, ist keine Unbekannte im internationalen Musikgeschäft. Als Duo war sie dreizehn Jahre lang mit ihrem Schulfreund unterwegs, dem Gitarristen Florent Biolchini. Part-Time Friends, wie sich das zweiköpfige Indie-Projekt nannte, war bekannt für seine elektro-poppigen Synthie-Klänge, den harmonischen, zweistimmigen Gesang von Florent und Pauline – und die gewisse Stimmung zwischen Euphorie und Melancholie. Drei Alben, vier EPs und vier Singles wurden in dieser Zeit herausgebracht; allein ihr Song „Streets and Stories“ wurde mehr als 20 Millionen Mal gestreamt. Dass der Name Part-Time Friends dabei auf die bewegte zwischenmenschliche Beziehung zwischen Pauline und Florent anspielte, war kein Geheimnis: Es gab gute und schlechte Zeiten, und nach ihrem dritten Album von 2021 (mit dem nicht weniger aussagekräftigen Titel Weddings and Funerals) löste sich das Duo auf. Bereits im nächsten Jahr 2022 erschien Paulines erste Solo-EP La Lune unter ihrem neuen Künstlerinnennamen Poppy Fusée.
Eine Solokarriere birgt immer ein Risiko, doch anscheinend hat Poppy Fusée es bereits geschafft, an ihre vorherige Karriere nahtlos anzuknüpfen: Das Plattenlabel Un Plan Simple bleibt dasselbe, und sogar das Astronautenkostüm, das sie mit Florent auf Fotos für Weddings and Funerals teilte, übernahm sie für La Lune - mit dem Unterschied, dass es sie auf ihrem Solo-Album nun einsam und verloren im All aussehen ließ. Ihr neues Album Better Place wurde unterstützt von früheren Kooperationspartnern wie Dan Black, Sänger der britischen Alternative-Rock-Band The Servant, sowie Musikproduzent Guillaume "Alto" L'Hostis. Und ihr zweistimmiges Shania-Twain-Cover mit der Singer-Songwriterin November Ultra aus diesem Jahr erhielt etwa eine Millionen Views.
Die neuen alten Songs: Etwas Geborgtes, etwas Schwermütiges
Sogar musikalisch stellt Poppy Fusées Solokarriere keinen richtigen Bruch mit ihrer Vergangenheit dar. War ihre Debüt-EP noch von französischen Lyrics dominiert, so kehrt sie auf ihrem neuen Album Better Place zur englischen Sprache zurück. Das Duo Flo und Pauline war immer vom angelsächsischen Kulturraum geprägt, und besonders die neuen Singles klingen prinzipiell wie Part-Time Friends, nur ohne Florents Gitarre. Besonders „Empty“ hat viel Ähnlichkeit mit Phoebe Bridgers‘ Pop, ihren schleppenden Drums und dem schwermütig transparenten Gesang. Der Song experimentiert mit leichten Disharmonien und Mehrstimmigkeit – wie ein leicht verwirrter Traum, in dem Nostalgie und Wehmut ineinander verschwimmen. Das Musikvideo zeigt einen TGV, der durch ein trübes Paris fährt – vorbei an trostlosen, Graffiti-beschmierten Betonwänden und kahlen Bäumen am Ufer der Seine. Selbst der Eiffelturm (in Frankreich ein geliebt-gehasstes Wahrzeichen der Moderne) wirkt hier nur wie eine Fortführung des groben Stahlgerüsts auf der Zugbrücke. Die berühmte Pariser Melancholie, eine bittersüße Leichtigkeit, harmoniert vortrefflich mit dieser Popmusik: Ob angelsächsischer Soft Pop oder französischer Douce Pop – was die Musik eint, ist die urbane Jugendkultur und das Gefühl, wie ein Fremdkörper in seiner Umwelt zu sein.
„Better Place“ erinnert überraschend an U2 mit seinen stockend monotonen Synths, den rhythmischen Drums und dem optimistischen Refrain. Allerdings scheinen die Lyrics auch den Schmerz durch die Trennung des Duos zu verarbeiten: Es wird viel reflektiert über einen alten Lebensabschnitt, in dem die Selbstfürsorge fehlte, und über eine bessere Zukunft, in der mehr auf sich Acht gegeben werden soll. Da ist „Summer Song“ schon anders: Der saisonale Indie-Song, der in diesem Sommer erschien, ruft Erinnerungen an kalifornischen Sunshine Pop und Flower-Power der späten 1960er hervor. Die Melodie ist verblüffend einfach und wird zunächst nur von einer akustischen Gitarre und einer Rassel begleitet. Dazu kommt ein gewollt laienhaftes Tröten mit den Lippen. Eine augenzwinkernde Anlehnung an die Experimente der Singer-Songwriter-Tradition, von denen die Generationen von Youtube und Tik Tok nicht weit entfernt sind.
Malerische Impressionen und musikalische Klangwelten
Poppy Fusées persönliche Wurzeln liegen in Paris sowie in der Heimatstadt ihrer Familie Aix-en-Provence, einem urbanen Zentrum mit historischer Altstadt nahe der Côte d’Azur in der Provence. Außerhalb von Frankreich ist Aix vor allem als Geburts- und Sterbensort des Malers Paul Cézanne bekannt– und wer hätte es gedacht: Cézanne ist tatsächlich ein Urahne von Poppy Fusée! Man kann durchaus vermuten, dass die impressionistische Malerei ihres berühmten Vorfahren als Inspiration für Fusées eindrucksvolle Klangbilder dient: Ihre Songs wirken wie flüchtige, zutiefst subjektiv empfundene Momentaufnahmen, in denen Gesang und Synths zu einem Klangteppich verwischen. Einzelne Klänge erscheinen pastellen, luftig-leicht und poetisch.
Ansonsten scheint das Thema Heimatregion keine treibende Kraft in Poppy Fusées Schaffen darzustellen. Einen Bezug zur traditionellen provenzalischen Volksmusik hat sie nicht – wie etwa Blanco White, der seinen britischen Soft Pop mit andalusischer Gitarrenmusik verbindet (wir hatten davon berichtet). Auch dem Chanson ist sie weitaus weniger verhaftet als andere französische Indie-Popstars wie Pomme oder Flo Delavega. Poppy Fusée steht im Vergleich für internationalen Indie-Pop mit Elektro-Elementen. Diesen Stil hat sie mit Part-Time Friends entwickelt und will ihn allem Anschein nach beibehalten. Wir wünschen viel Erfolg!
Über die Künstlerin:
Die Sängerin Pauline Lopez de Avora ist unter ihrem Künstlerinnennamen Poppy Fusée bekannt. Mit dem Gitarristen Florent Biolchini (alias Florent) gründete sie das Indie-Pop-Projekt Part-Time Friends. Das Duo veröffentlichte die Alben Fingers Crossed, (2016) Born to Try (2018) und Weddings and Funerals (2021), die EPs There Are No Penguins in Alaska (2013), Art Counter (2014), Fire (2019) und Here We Are (Promo) sowie die Singles „Summertime Burns“ (feat. Dan Black, 2016), „Here We Are“ (2016), „Streets and Stories“ (2017) und „Bee My Baby“ (2017). Nach der Trennung des Duos veröffentlichte Fusée als Solo-Musikerin im Jahr 2022 ihre erste Single „Pesanteur“ sowie ihre Debüt-EP La Lune.
Text: PB
Label: Un Plan Simple