
17.05.2022 || Am kommenden Donnerstag, den 19. Mai, startet die dokumentarische Filmbiografie Bettina in den deutschen Kinos. Der Film von Lutz Pehnert, der Regie führte und das Drehbuch schrieb, erzählt vom Leben der Berliner Liedermacherin Bettina Wegner im geteilten Deutschland. Denn ihre Geschichte ist gleichzeitig die von "zwei Deutschländern", wie Bettina Wegner sie selbst einmal genannt hat. Dafür hat der Regisseur, bekannt aus dem rbb-Fernsehen, Interviews mit Wegner in ihrer Frohnauer Wohnung geführt und Archivaufnahmen aus Ost und West zusammengestellt. Mit diesem Material und Wegners Texten zeichnet er die Verbindung zwischen der Künstlerin und dem Land, das sich zweiteilte, nach. Dabei zeigt er eine eigenwillige Sängerin, die sich den Ungerechtigkeiten ihrer Lebenswelt nie ergeben hat und stets an ihren Idealen festgehalten hat.
"Das Schreiben hat mir viele, viele Stunden beim Psychiater erspart"
Bettina Wegner wird 1947 in Berlin-Lichterfelde geboren. Kurz darauf siedelt ihre Familie nach Ostberlin um, die Eltern sind überzeugte Kommunistin. Als Kind ist Wegner selbst eine glühende Stalin-Verehrerin, was sie selbst später einmal so bezeichnen wird: "Ich war ein ziemlich verhetztes Kind mit Gottesersatz Stalin." Doch weil ihre Eltern sie zum kritischen Denken und Nachfragen erziehen, kommt ihre kindliche Verehrung bald zu ihrem Ende.
Neben einer Ausbildung zur Bibliotheksfacharbeiterin und der Aufnahme eines Schauspielstudiums beginnt ihre Sängerinnenkarriere. Wegner singt in dem von ihr mitgegründeten Hootenanny-Klub und tritt als Chanteuse mit Liebesliedern im Fernsehen auf. Als ihr Klub von der FDJ übernommen und in Oktoberklub unbenannt wird, verlässt sie ihn, weil sie mit der Änderung des Programms nicht einverstanden ist.
Als 1968 der Prager Frühling in der ?SSR brutal niedergeschlagen wird, wird Wegner politisch aktiv und verteilt mit Bekannten des Nachts Flugblätter in Ostberliner Briefkästen, völlig im Klaren darüber, dass sie für diese Aktion ins Gefängnis kommen kann. Sie fühlt sich ihrem kleinen Sohn, den sie zu diesem Zeitpunkt noch stillt, verpflichtet, etwas gegen diese "Schweinerei" zu unternehmen. Als sie schließlich verhaftet und vor Gericht angehört wird, schildert sie offen und mit ihrer typischen Berliner Schnauze ihre Beweggründe. Sie wird schließlich zu einer Bewährungsstrafe und Arbeitsdienst verurteilt, mit dem Ziel, ihre kommunistische Gesinnung zu festigen.
In den Siebzigerjahren werden die Lieder der überzeugten Sozialistin immer nachdenklicher und kritischer, der Repressionsapparat der DDR erhöht den Druck auf die widerspenstige Künstlerin.
Nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976 beginnt Bettina Wegners langer Abschied vom DDR-Sozialismus, den sie zum Beispiel in Für meine weggegangenen Freunde besingt. 1980 erhält sie einen Pass mit Dauervisum für Westdeutschland und kann nun dort arbeiten. Aber sie kehrt immer in ihre Heimat Ostberlin zurück, bis sie 1983 von der DDR-Führung vor die Wahl gestellt wird, ins Gefängnis zu gehen, wegen vermeintlicher "Zoll- und Devisenvergehen", oder in den Westen zu emigrieren. Sie verlässt ihre Heimat und tritt nun nur noch in der BRD auf. Dieser Heimatverlust prägt Bettina Wegners Lieder und ihr Leben bis heute.
"Aufrecht stehn wenn andre sitzen"
Im Dokumentarfilm Bettina zeigen aktuelle Interviews des Regisseurs mit Wegner, Archivmaterial aus BRD und DDR, Audiomitschnitte aus ihrem Prozess 1968 und ihre Lieder und Konzerte eine Künstlerin, die durchdrungen von ihrem Schaffen ihren Weg gegangen ist und persönliche Opfer gebracht hat. Der Film wird strukturiert von ihren Geboten, die sie in einem Gedicht von 1980 formuliert hat.
Ihre Texte haben bis heute nichts von ihrer moralischen Kraft und poetischen Eindeutigkeit eingebüßt. Bettina Wegners Witz und ihre Schlagfertigkeit zeigen sich sowohl in den Aufnahmen einer widerständigen 20-Jährigen als auch bei der mittlerweile 75-Jährigen, die mit zigarettenverkratzter Stimme sich selbst im Film betrachtet: "Meine Güte, warst du jung!"
Bettina Wegner im Kino und live erleben
Bettina feierte Weltpremiere auf der 72. Berlinale in der Sektion Panorama und ist ab dem 19. Mai in den Kinos zu sehen. Begleitend zum Film ist im Mai 2022 der Band GEBOTE: Lieder und Gedichte aus 40 Jahren erschienen.
Diesen Sommer kann man eines von Bettina Wegners seltenen Konzerten in Hamburg besuchen: beim 3. Neuhardenberger Sängertreffen am 13. August 2022 in Hamburg.
Text: JS
Foto: Werner Popp