
05.09.2023 || Die Jazz-Punkband Botticelli Baby ist schon lange für ihren wilden Mix aus verschiedenen Musikrichtungen bekannt: Ihren eigenen Musikstil „Junk“ (eine grelle Mischung aus Jazz und Punk) bereichert sie mit Elementen aus Balkanpop, Gypsy Jazz, Funk und Folk. Nun erscheint ihr bereits fünftes Album Boah am 27.10. via Unique Records/ Schubert Music. Der Song „Blue Dots“ erschien als Single bereits am 11.08. Ob der Titel mit „Boah!“ nun ein Staunen ausdrückt oder einen erschöpften Ächzer - beides ist berechtigt: Das neue Album sprüht vor Euphorie und lässt kein Tanzbein stillstehen! Zudem wartet die Band aus Essen mit einem für sie neuen Musikgenre auf: einem ausgelassenen Mix aus Swing und sphärischem Rock, der an The Doors oder Depeche Mode erinnert. Nach seinen europaweiten Erfolgen ist das Septett nun bis Anfang Dezember auf erneuter Deutschland-Tour.
Ausgelassen und mit klaren Kanten: Botticelli Babys explosives Experiment
Ein breit gefächertes Repertoire an Musikrichtungen war schon immer die Kernkompetenz von Botticelli Baby. Genau das macht ihren Stil so impulsiv, kantig und eigensinnig – diese sieben Jazz-Gentlemen lassen sich nichts vorschreiben, gehen ihren eigenen Weg. Tatsächlich sorgt das auch für nachdenklichere Momente in ihrer Musik. Die Single „Blue Dots“ etwa beschreibt den blauen Himmel „hinter den weißen Wolken“ aus der Sicht eines Hinterbliebenen, der über den Freitod eines geliebten Menschen nachdenkt. Kann das ferne Blau des Himmels auch ein legitimer Ausweg sein, wenn die undurchdringlichen Wolken aus dem eigenen Leben nicht mehr abzuziehen scheinen?
Ganz so trübsinnig geht es aber auf dem neuen Album nicht immer zu. Gleich zu Beginn überrascht Boah mit einer kurzen „Intro“, die wie klassische Musik klingt: Das Solo der elektrischen Orgel (gespielt von Lucius Nawothnig) trällert wie ein Präludium von Johann Sebastian Bach dahin – sogar mit typischer Schlusskadenz. Ein Genre-Bruch, der allerdings auch an die Rock-Improvisationen des Organisten von The Doors, Ray Manzarek, erinnert. Gleich nach der Intro nimmt Botticelli Baby den Mix aus Rock und Jazz auf: „Poems“ und „Storms On My Skin“ setzen die Blasinstrumente im Bigband-Stil in Szene, treibende Drums halten dagegen. Der Gesang des Frontmanns Marlon Bösherz klingt melancholisch und nahezu monoton – wie bei Jim Morrison oder Dave Gahan. „We're One“ und „Digge Digge Dig“ liefern eine wilde Tanzmusik zum Herumwirbeln, ganz wie in den US-amerikanischen Clubs der 1920er. Besonders „We're One“ glänzt durch stilvollen, authentischen Swing, bei dem man fast mit schnippen muss.
Rhythmus mit Explosionsgarantie
Der bunte Genre-Mix ist nur scheinbar experimentell: In Wahrheit verfolgt das Essener Männer-Septett (übrigens allesamt studierte Musiker) eine ausgeklügelte Strategie an musikalischen Kombinationen. Eines ihrer erklärten Ziele ist es, den Bigband-Jazz für heutige Zuhörer zu entstauben – durch Anreicherungen aus moderneren Genres. Der Erfolg gibt ihnen Recht: Seit Jahren füllt die Band Konzerte in zahlreichen europäischen Ländern, bis hin zur Türkei. Mit Boah perfektionieren sie ihre Strategie – die prickelnde Ganoven-Romantik aus dem nostalgischen Swing harmoniert überraschend gut mit den sphärischen, poetisch-düsteren Elementen aus der Rockmusik, die an die 1960er und 1970er erinnert. Mal verschwimmen die Klänge zu einer rockigen Kakophonie, dann wieder bringen die Jazz-Bläser Struktur in die Musik.
Der Schlusssong des Albums, „Dieter Gray“, gibt eine selbstironische Anleitung auf Deutsch, wie genau der Titel des Albums – das umgangssprachliche, etwas schnodderige „Boah!“ – ausgesprochen werden muss: „Gehen Sie in den Schneidersitz. Recken Sie die Arme nach oben, so weit es geht, am besten zur Glühbirne über Ihnen, und sagen Sie in aller Deutlichkeit und aus tiefstem Herzen: 'Boooaaah!'“ Entspannung und Meditation sind allerdings das Letzte, woran man denkt, wenn man dieses Album hört: Ein weiteres Ziel von Botticelli Baby ist es immerhin, das eigene Publikum zum Schwitzen zu bringen. Mit Boah haben sie es wieder einmal geschafft – in dieser Explosion an Tanzpotential ist die Schwitzgarantie enthalten!
Über die Band:
Botticelli Baby (gegründet 2012 in Essen) ist eine Band, die aus sieben Mitgliedern besteht: dem Frontmann Marlon Bösherz (Gesang und Kontrabass), Jörg Buttler (Gitarre), Lucius Nawothnig (Klavier, elektrische Orgel und Synthesizer), Alexander Niermann (Trompete), Maximilian Wehner (Posaune), Christian Scheer (Saxophon) sowie Tom Hellenthal (Drums). Der hauptsächliche Musikstil der Band ist eine Fusion aus Jazz und Punk, die sie selbst als „Junk“ beschreiben. Seit ihrer Gründung hat Botticelli Baby vier Alben veröffentlicht. Ihr Livealbum Live (2019) wurde auf Spotify mehr als 25.000 Mal gestreamt. Botticelli Baby hat Konzerte in mehr als sieben Ländern gegeben sowie auf renommierten Festivals in Deutschland, darunter Jazzahead!, Elbjazz und Rocken am Brocken.
Blue Dots erschien am 11.08.2023 via Unique Records / Schubert Music und ist überall erhältlich, wo es Musik gibt!
Text: PB
Label: Unique Records / Schubert Music