
29.12.2014 || Mit dem neuen Jahr startet der lang erwartete Abschluss der Filmtrilogie von Roy Andersson über das menschliche Wesen in den deutschen Kinos. "Eine Taube sitzt auf einem Zweig - Und denkt über das Leben nach" folgt auf "Songs from the second Floor" (2000) und "Das jüngste Gewitter" (2007), die beide in Schweden als beste Filme des Jahres, sowie mit dem jeweiligen Regie- und Drehbuchpreis gekürt wurden. Nachdem der dritte Teil der Trilogie, wie dessen Vorgänger auch, in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, ist dem Regisseur mit dem Faible für die philosophische Tiefe des Absurden die Aufmerksamkeit von Kritik und Publikum gewiss.
Philosophische Filmkunst
Der siebzigjährige Göteborger Roy Andersson hat eine Menge zu sagen. Zunächst studierte Andersson Literaturgeschichte und Philosophie, ehe er sich dem Film zuwendete. An seinen Durchbruch als Spielfilmregisseur und Drehbuchschreiber, der ihm 1970 mit "Eine schwedische Liebesgeschichte" gelang, konnte er lange nicht anknüpfen und zog sich für viele Jahre vom Film zurück.
Mit seiner satirischen und absurden Filmpoesie schien Andersson seiner Zeit voraus zu sein. Seine Visionen in Sachen Formsprache, Botschaft und Humor lebte er seit den 1980er Jahren stattdessen äußerst erfolgreich in der Werbung aus. Seine Clips wurden mit insgesamt acht Goldenen Löwen ausgezeichnet. Über diesen Umweg kehrte Andersson erst 2000 mit dem sehr erfolgreichen Auftakt seiner großen Trilogie über das Wesen Mensch in die Kinos zurück - sein dritter Spielfilm überhaupt.
Zwischen Melancholie und abgründigem Humor
Mit Mißerfolg und den Gesetzen des Marktes und der Werbung kennt sich Andersson aus. Insofern mag das etwas kuriose Setting des Abschlusses seiner Opus Magnum nicht überraschen: Im Mittelpunkt von "Eine Taube sitzt auf einem Zweig - Und denkt über das Leben nach" stehen mit Sam und Jonathan zwei glücklose und leidgeplagte Vertreter für Scherzartikel. Als Handlungsreisende möchten sie helfen, Spaß zu haben. Die Mittel der Wahl sind die Klassiker unter den Ulkrequisiten: Vampirzähne, Lachsack und eine groteske Monstermaske.
Da Freude zu verbreiten vermeintlich mindestens genauso schwer wie erfolgreiches Verkaufen ist, streiten die Beiden über die richtige Präsentationsstrategie ihrer Ware. Den Spaß am Spaß zu wecken sind die beiden gezwungen, denn sie sind absolut pleite. Mit einer Träne im Gesicht und dem Lachsack im Vertreterkoffer begeben sich die beiden Desperados auf eine phantastische Reise durch Räume der Geschichte und finden sich in traumverlorenen Erinnerungen wieder an verliebte Könige, getauschte Küsse und fröhlich gurrende Tauben.
Roy Andersson schickt den Zuschauer mit seinen Hauptdarstellern Nils Westblom und Holger Andersson auf eine Irrfahrt durch Menschliches und Allzumenschliches. Tragik und Humor, das Absurde und die alltägliche Ödnis finden in der Poesie dieses Meisters skandinavischen Erzählens auf wunderbare und wunderliche Art zusammen. Andersson orientiert sich an der Ästhetik des Kurzfilms. Sein düsterer Sketchreigen vereinigt sich zu einer absurden Parabel über das Leben, eine cineastische Don Quichoterie allererster Güte.
Das Kinojahr 2015 beginnt mit einem Highlight.
Text: Mirco Drewes