
07.10.2014 || Wie der Verlag Hoffmann und Campe mitteilte, ist Schriftsteller Siegfried Lenz am Dienstag, den 7. Oktober in Hamburg im Kreis der Familie verstorben. Lenz war einer der bedeutendsten Schriftsteller der deutschsprachigen Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur. Er wurde 88 Jahre alt.
Macht und Kunst
Das Leben und Wirken von Siegfried Lenz stand im engen Zusammenhang mit der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Geboren wurde Lenz am 17. März 1926 im ostpreußischen Lyck (heute Elk/Polen) als Sohn eines Zollbeamten. 1943 wurde Lenz in die Kriegsmarine einberufen und geriet 1945 in britische Gefangenschaft. 2007 wurde bekannt, dass Lenz Mitglied der NSDAP gewesen war, er bestritt aber, einen Aufnahmeantrag unterschrieben zu haben.
1948 begann Siegfried Lenz in Hamburg ein Volontariat bei der Tageszeitung "Die Welt", doch machte er sich bereits 1951 als freier Schriftsteller selbstständig. Sein erster Roman war "Es waren Habichte in der Luft". Als Theaterautor feierte er mit "Zeit der Schuldlosen" einen großen Erfolg. Mit seinen masurischen Schelmengeschichten "So zärtlich war Suleyken" bediente er sich überaus erfolgreich der humoresken Kleinform.
1968 erschien sein Welterfolg "Deutschstunde". Das Buch handelt von einem Polizisten im Dritten Reich, der aus einem pervertierten Pflichtgefühl heraus das Malverbot seines Freundes überwacht. Diese Geschichte um den Konflikt von Macht und Kunst wurde verfilmt und zur Pflichtlektüre an Schulen. Mit einer Erstauflage von mehr als 700.000 Exemplaren sicherte "Deutschstunde" dem Schriftsteller wirtschaftliche Unabhängigkeit.
Ehrenbürgerwürden
1978 nahm sich Lenz im Roman "Heimatmuseum" des für einen deutschen Schriftsteller umstrittenen Themas Flucht und Vertreibung an. Zehn Jahre später wurde Lenz' Vorlage als TV-Dreiteiler mit Mario Adorf verfilmt - eine von zahlreichen Adaptionen des Wahl-Hamburgers.
Die 1999 abgeschlossene Werkausgabe umfasst rund zehntausend Seiten, darunter Romane wie "Der Mann im Strom" oder "Brot und Spiele" und Erzählungsbände wie "Ein Kriegsende" oder "Das Feuerschiff". Die Weltauflage seiner in 30 Sprachen übersetzten Romane, Erzählungen, Essays und Theaterstücke liegt bei über 25 Millionen.
Sowohl seine Geburtsstadt Lyck, als auch seine westdeutsche Heimatstadt Hamburg verliehen Siegfried Lenz die Ehrenbürgerwürde.
Deutsch-Polnische Aussöhnung
Politisch engagierte sich Siegfried Lenz für die Aussöhnung mit Polen. 1970 begleitete er mit Günter Grass den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) zur Unterzeichnung des Warschauer Vertrags. Lenz forderte Solidarität mit Israel, als Iraks damaliger Diktator Saddam Hussein den jüdischen Staat mit Raketen bedrohte.
Ein zentrales Thema im Schaffen von Lenz war die Auseinandersetzung mit dem - typisch deutschen - Pflichtbegriff. Das Nachdenken darüber hatte er gemeinsam mit seinem langjährigen Helmut Schmidt, über den Lenz 1965 schrieb, Helmut Schmidt gebrauche die Sprache "weniger sorglos" als andere Politiker, aber er müsse sich "zum Selbstvertrauen nicht erst ermuntern".
Literaturfreunde - nicht nur in Polen und Deutschland - trauern um Siegfried Lenz.
Text: Mirco Drewes